Den Kommunen muss bei den Flüchtlingen geholfen werden
Kommentar
Den Kommunen muss bei den Flüchtlingen geholfen werden
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Christian Unger
Zu wenige Flüchtlinge schließen Integrationskurse erfolgreich ab. Die Abbruchquoten sind hoch.
Foto: Bernd Thissen / dpa
Die Integration von Flüchtlingen kann Erfolg haben. Dafür braucht es aber Geld und Geduld. Und vor allem: ein Integrationsministerium.
Berlin.
Mit den Flüchtlingen und Migranten ist auch die sogenannte „Krise“ gewandert. Von der EU-Außengrenze auf den griechischen Inseln und der italienischen Küste bis in den Kindergarten in Niedersachsen, in den Deutschkurs in Bayern oder in das Asylbewerberheim in Sachsen. Asyl- und Einwanderungspolitik entscheidet sich nicht in polarisierenden Debatten über „den“ Islam. Sie entscheidet sich vor Ort. Unter uns.
Wie ist der Stand? Die Deutschlandkarte der Integration im Frühjahr 2018 ist weder schwarz noch weiß. In vielen Gemeinden und Städten fallen Flüchtlinge kaum auf, besuchen tagsüber Integrationskurse, sitzen im Café oder arbeiten als Aushilfe beim Bäcker, abends schlafen sie in ihrer Wohnung oder im Containerdorf am Gewerbegebiet.
In anderen Städten gibt es Konflikte: Junge Männer aus Syrien, Marokko oder Eritrea prügeln sich mit anderen Migranten – oder mit der rechtsradikalen Jugend. In anderen Gemeinden wächst die Kleinkriminalität.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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600.000 Asylbewerber sind Empfänger von Hartz IV
In Wirtschaftszentren freuen sich Firmen über neue, günstige und oftmals motivierte Auszubildende. Zwischen Herbst 2016 und Herbst 2017 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus den acht Hauptasylländern um 75.000 auf 195.000 gestiegen. Gleichzeitig wachsen die Kosten in Sozialämtern.
Fast 600.000 Asylbewerber waren im Herbst Empfänger von Hartz IV. Gerade kleinere Städte in Regionen, in denen ohnehin viele Menschen arbeitslos sind oder abwandern, geraten an Grenzen ihrer Integrationsfähigkeit.
Was muss passieren? Integrationspolitik braucht Flexibilität statt Sturheit. Wenn Flüchtlinge durch Residenzpflicht an einen Ort gebunden sind, kann das richtig sein. Denn Migranten wie Deutsche zieht es oft in die Metropolen. Nur darf der Zuzug nicht zu einzelnen und stark belasteten Migrationszentren in Deutschland führen.
Arbeit und Unterkunft sind Schlüssel zur erfolgreichen Integration
Zugleich gilt: Wenn ein Iraker in Hamburg einen Job oder ein Zimmer findet, sollte ihn eine Auflage nicht an sein Asylbewerberheim in Uelzen ketten.
Denn Arbeit und Unterkunft sind ein Schlüssel zur erfolgreichen Integration. Nach Deutschland fliehen auch, aber eben weniger Ärzte und Ingenieure, sondern vor allem Menschen, die erst für den deutschen Arbeitsmarkt ausgebildet werden müssen. Hier müssen Unternehmen stärker investieren und Verantwortung übernehmen.
Und Migranten müssen in ihre Sprache investieren – denn sie ist die dritte Säule eines gelungenen Neuanfangs. Doch zu wenige Flüchtlinge schließen ihre Kurse erfolgreich ab. Die Abbruchquoten sind hoch. Nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die deutschen Behörden verfehlten ihr Ziel: 430.000 Menschen sollten 2017 einen Integrationskurs besuchen, es waren nicht einmal 300.000. Wochenlange Wartezeiten demotivieren viele Flüchtlinge.
Pannen und Fehler in den vergangenen Jahren
Die hohe Abbruchquote ist Symptom einer ungeordneten Politik, in deren Zentrum seit Jahren das Bundesamt für Migration (BAMF) steht. Eine Behörde, der zu viel zugemutet wurde: Sie muss Asylbewerber registrieren und Anträge prüfen, sie organisiert die freiwillige Rückkehr und analysiert Migrationsbewegungen.
Pannen und Fehler in den vergangenen Jahren zeigen die Überlastung. Was Deutschland braucht, ist ein Integrationsministerium. Flucht und Migration dürfen keine Anhängsel vom Innenminister oder dem Auswärtigen Amt sein.
Schon jetzt zeigt sich: Integration wird lange dauern, sie wird viel kosten. Damit sich diese Leistung am Ende lohnt, müssen jetzt die richtigen Weichen in der Politik gestellt werden. Im Februar registrierten die Behörden gut 10.000 neue Asylanträge, die niedrigste Zahl seit Jahren. Das öffnet die Tür für eine Politik ohne Schnellschüsse.