Wie Horst Seehofer mit seiner Islam-Aussage provoziert
Heimatminister
Wie Horst Seehofer mit seiner Islam-Aussage provoziert
| Lesedauer: 4 Minuten
Miguel Sanches
Seehofer: Der Islam gehört nicht zu Deutschland
Seehofer: Der Islam gehört nicht zu Deutschland
Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" als falsch bezeichnet und damit Kritik von den Grünen geerntet. "Nein. Der Islam gehört nicht zu ...
Beschreibung anzeigen
Aufsehenerregender Start als Innenminister: Horst Seehofer ist ein Stimmungspolitiker und Verbalradikalist. Er kann aber auch anders.
Berlin.
Das Innenministerium kann man auf vielerlei Weise betreten, durch das Haupttor, am roten Teppich entlang, durch Hinter- und Nebeneingänge, durch die Garage und mit dem Aufzug in die Chefetage. Horst Seehofer tat es auf seine Art: Er trat die Tür ein, krachend, unüberhörbar, unübersehbar.
Kaum einen Tag im Amt und wir wissen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört und ein Masterplan für Abschiebungen eilt. Das ist quasi sein Sofortprogramm. Daran fällt auf, dass es Botschaften der Ausgrenzung sind und dass sie die meisten Bürger bestenfalls mittelbar betreffen.
Seehofer hätte besser Schutz vor Kriminalität versprechen sollen
Denn die meisten Deutschen sind keine Muslime. Und sie sind erst recht keine Abschiebefälle. Der neue Innenminister hätte uns besser mehr Schutz vor Kriminalität versprechen sollen, etwa vor Terror und Wohnungseinbrüchen, oder – wenn er schon so auf Ausländer fixiert ist – auch einen Masterplan für Integration.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
Seehofer wird nie mehr so stark sein wie jetzt. Zum einen sind die ersten 100 Tage im Amt wie ein weißes Blatt, das darauf wartet, dass man es vollschreibt oder zusammenfaltet, so dass wenigstens ein Papiertiger daraus wird. Zum anderen kennt der Innenminister die Begrenzungen des Amts nicht. Die wird er früh genug erfahren.
Dann wird er feststellen, dass nicht der Bund, sondern in erster Linie die Länder abschieben, zum Teil die Kommunen, und dass sie es auch nicht immer selbst in der Hand haben, weil oft Papiere fehlen und Herkunftsstaaten sich querlegen.
Christian Lindner reagierte klug
Seehofer wird es so ergehen wie vielen Ministern vor ihm. Sie kommen als Föderalisten ins Amt und konvertieren zum Zentralismus. Abschieben, sofort – als Bundesminister würden sie gern par ordre de mufti entscheiden. Womit wir beim Islam sind, der nicht zu Deutschland gehört.
Die klügste Reaktion kam von FDP-Chef Christian Lindner, der die Debatte als überflüssig („lenkt ab“) abtat. Die Ironie ist, dass man von einem Innenminister Taten erwartet, harte Fakten für Sicherheit, Seehofer sich stattdessen mit einem Glaubensbekenntnis einführt; mit dem Bekenntnis, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört.
Das darf er sagen, als Innenminister ist er für Religionen zuständig, aber es ist überflüssig. Es ändert nichts an der Realität (Millionen Muslime in Deutschland, Minarette in deutschen Städten), stärkt weder die Integration noch den Zusammenhalt.
Verbalradikalismus hat in der CSU Tradition, sagt indes nicht viel über die künftige Amtsführung aus. Der Seehofer, den wir kennen, lebt nach der Devise „hier stehe ich und kann auch anders“.
Seehofer könnte mehr erreichen als sein Vorgänger
Und tatsächlich: Der Innenminister hat auch gesagt, dass er sich mit muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und „den Dialog suchen und da wo nötig noch ausbauen“ will. Vorgänger de Maizière war zu nachgiebig. Unter anderem ließ er zu, dass konservative Verbände den Ton angeben und moderne Muslime beim Dialog an den Rand gedrängt wurden.
Gut möglich, dass ein Haudegen wie Seehofer mehr als de Maizière erreicht.
Viele sind Seehofer auf den Leim gegangen
Was nun seinen Islam-Satz betrifft, so war es die Visitenkarte eines Stimmungspolitikers und Provokateurs. Zwei Frauen, zwei Ministerinnen haben sich nicht aus der Reserve locken lassen: Franziska Giffey (Familie) müsste aus Erfahrung mehr über gelungene oder misslungene Integration wissen als Seehofer. Und Katarina Barley wäre als Justizministerin im Kabinett seine berufene Gegenspielerin.
Viele andere, die sich an ihm abgearbeitet haben, von den Grünen und der SPD über die Integrationsbeauftragte bis zur Kanzlerin, sind dem Schlitzohr auf den Leim gegangen. Weitere Reaktionen bitte an: Minister für Innen, für Heimat, Bau und Provokation, Alt-Moabit 140, 10557 Berlin.