Politik

Die Linke und ihre Klientelpolitik

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Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer lehnt das „House of Jazz“ ab – und brüskiert damit Till Brönner

Nein, er mache keine Klientelpolitik, wenn er das Wort schon höre, werde er ärgerlich, echauffierte sich der neue Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) kürzlich. Der Vorwurf wird nämlich gegen ihn, seine Partei und auch die Grünen immer wieder erhoben – wenn es um die Verkehrspolitik mit mehr Tempo-30-Zonen oder Radwegen geht, wenn es um das geplante Stadtwerk für immerhin hundert Millionen Euro oder um die Mietenpolitik, die vor allem die sozial schwächeren Berliner stärkt, geht.

Lederer will es nicht hören, doch er muss es wohl. Jüngstes Beispiel: das „House of Jazz“, das der Musiker Till Brönner gerne in Berlin, in der Alten Münze am Molkenmarkt, einrichten würde. Eine Idee, die in der letzten Legislaturperiode der damalige Kultur-Staatssekretär Tim Renner (SPD) für gut befand und für die der Bund 12,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen will. Lederer mag das Jazz-Haus nicht: „Wir brauchen nicht nur Leuchttürme, wir brauchen vor allem Arbeits- und Produktionsräume für Musiker der freien Szene.“ Das Geld des Bundes wolle er nicht annehmen. Was ihm in der Alten Münze vorschwebt? „Ein Haus für die Basiskultur.“

Nun sind nicht sehr viele Jazzmusiker in Deutschland bekannt, Till Brönner schon. Die Reaktionen auf die Absage Berlins ließen erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Lustigerweise kam das erste Angebot aus Thüringen: von Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke). Wir erinnern uns: Hoff war einige Jahre Abgeordneter der Linken in Berlin, dann Staatssekretär unter der damaligen Gesundheits- und Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke), die heute Bausenatorin in Berlin ist – und natürlich kennen Hoff und Lederer sich noch sehr, sehr gut. Hoff also lud Brönner „per Twitter“ ein, sein Konzept für ein „House of Jazz“ in Weimar umzusetzen. Man könne die seit dem Jahr 2000 leer stehende Nietzsche-Gedächtnishalle für das Jazz-Haus nutzen. Und Weimars Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD) griff die Idee gleich auf: „Jazz ist eine Supergeschichte. Warum nicht Weimar statt Berlin?“ Die Nietzsche-Gedächtnishalle ist in Privatbesitz und soll versteigert werden. „Weimar werde dann versuchen, sie zu erwerben“, kündigte der Oberbürgermeister an. Das nennt sich Politik im Interesse der Stadt.

Auch die SPD sprang Brönner bei. Nein, nicht der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der in den vergangenen beiden Jahren in Personalunion ja auch Berliner Kultursenator und damit für das „House of Jazz“ war. Müller schweigt öffentlich, dafür meldete sich der SPD-Haushaltsexperte im Bundestag, Johannes Kahrs, in dieser Woche zu Wort. Das Projekt solle bundesweit ausgeschrieben werden. „Dann könnte sich jede Kommune in Deutschland darum bewerben“, sagte Kahrs. „Das wäre eine charmante Lösung.“ Und: „Wenn Berlin nicht will, muss man gucken, ob es jemand anderen gibt, der das ,House of Jazz‘ möchte.“ Till Brönner selbst hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er seine Idee, die er seit 15 Jahren verfolgt, doch noch in Berlin umsetzen kann. „Der Standort Alte Münze verfügt über etwa dreimal so viel Fläche, wie für unser Projekt skizziert“, sagt er – und hofft auf ein Gespräch und ein Einlenken Lederers. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt.

Und so kümmert sich Lederer nicht um das Jazz-Haus, sondern eröffnet stattdessen lieber ein Berliner „Projektbüro für Diversitätsentwicklung“ – mit dem Titel „Diversity. Arts. Culture!“. Das soll sich mit der Kritik an mangelnder Vielfalt an Berliner Theatern und anderen Kultureinrichtungen auseinandersetzen und „handlungsleitende Ansätze“ wie „diversitätsorientierte Öffnungsprozesse“ und „kollaborative und diskriminierungskritische Strukturen“ entwickeln. Die Einrichtung des Projektbüros feierte Lederer dann auch schön – und Kultur-Staatssekretär Torsten Wöhlert schenkte Wein aus. Klientelpolitik? „Natürlich nicht“, würde Lederer wohl sagen. Aber auch nur er.