Berlin. Im Jahr 2015 sind in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung 5835 minderjährige Flüchtlinge verschwunden. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Von 8006 als vermisst gemeldeten minderjährigen Flüchtlingen tauchten bisher nur 2171 wieder auf. „Die vermissten, unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge kommen überwiegend aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Marokko und Algerien“, heißt es in dem Papier des Bundesinnenministeriums. Unter den verschwundenen 5835 minderjährigen Flüchtlingen sind 555 Kinder. Als Kind gilt in Deutschland, wer jünger als 14 Jahre alt ist.
In diesem Zusammenhang kritisiert die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg die Bundesregierung. „Dass 5835 unbegleitete Jugendliche und Kinder, die im vergangenen Jahr verschwunden sind, die Bundesregierung nicht in Alarmbereitschaft versetzen, ist traurig“, sagte Amtsberg unserer Redaktion. Die Regierung solle jetzt aktiv werden. „Dieser Umgang mit den verletzlichsten aller Schutzsuchenden passt zu der Kaltherzigkeit, mit der jüngst schon der Familiennachzug massiv eingeschränkt wurde.“ Der Sprecherin für Flüchtlingspolitik bereitet es zudem Sorgen, dass die Bundesregierung „die Gefahren durch Zwangsprostitution und Ausbeutung nicht ernsthaft in Betracht zieht“.
Jugendliche im Visier von Terroristen und Kriminellen
Ende März hatten mehrere Europa-Abgeordnete in einem Brief darauf hingewiesen, dass verschollene minderjährige Flüchtlinge womöglich Opfer von paneuropäischen Banden würden, die sie für Sexarbeit, Sklaverei oder Organhandel missbrauchen. Die europäische Polizeibehörde Europol hatte im Februar bekannt gegeben, dass mindestens 10.000 alleinreisende Flüchtlingskinder in den vergangenen 18 bis 24 Monaten nach ihrer Ankunft in Europa spurlos verschwunden sind. Ein Europol-Sprecher hatte dazu gesagt: „Dies bedeutet nicht, dass allen etwas passiert ist. Ein Teil der Kinder könnte sich tatsächlich mittlerweile bei Verwandten aufhalten.“ Diese Kinder könnten aber Opfer von Missbrauch werden, sagte er und appellierte: „Wir bitten unsere Kollegen in Europa, sich darüber im Klaren zu sein, dass dies passieren könnte.“
Beate Walter-Rosenheimer, jugendpolitische Sprecherin der grünen Fraktion, forderte mehr Engagement der Bundesregierung: „Wenn der Hauptgrund des Verschwindens die Weiterwanderung zu Verwandten ist, dann muss die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass die Jugendlichen legal und unterstützt weiterreisen können – das sieht selbst die Dublin-Verordnung vor.“