Am 3. März 1973 wurde das Washingtoner Artenschutzübereinkommen unterzeichnet – genannt CITES –, das den Handel von bedrohten, freilebenden Tieren und Pflanzen selbst in den hinterletzten Winkeln der Erde regeln sollte. Das muss man wissen, um das Scheitern des Stefan Effenberg als Trainer beim SC Paderborn zu verstehen.
Der 3. März ist wegen der Konvention heute der offizielle Tag des Artenschutzes. In diesem Jahr standen die Elefanten im Fokus – eine besonders prominente, gefährdete Spezies von weltweit geschätzten 20.000. Eine andere dagegen konnte selbst dieser ins Leben gerufene, ehrbare Aktionstag nicht mehr retten. Am Donnerstag, exakt 43 Jahre nach CITES und am Tag des Artenschutzes, wurde Effenberg in Paderborn, einem der hinterletzten Winkel der Erde, beurlaubt.
Früher nannten sie ihn „Tiger“, weil er sich als Spieler in Gladbach eine Raubkatze in den Hinterkopf rasierte. Jetzt ist der Tiger von der Fußballweltkugel verschwunden. Das hat Gründe jenseits seines Misserfolgs: Schniedelwutzaffäre, fehlende, gültige Trainerlizenz, und natürlich ein grandios sonnenkönigartiger Möbelmogul als Präsident, der aber leider weniger vom Fußball zu verstehen scheint.
Doch es ist nicht allein der Tiger, der „adieu“ sagt. Effenberg ist ja nur einer aus der Gattung prominenter Ex-Profis mit internationalem Renommee, die heute auf dem Planeten Profifußball akut vom Aussterben bedroht sind. Das spitzte sich neulich besonders zu, als Thomas Häßler beim Achtligisten Italia Berlin seinen Trainervertrag unterschrieb und wenige Tage später Klaus Augenthaler beim Siebtligisten SV Donaustauf. Zwei Weltmeister von 1990 in den Niederungen ihres Sports. Und sie sind keine Einzelfälle: Aus ihrem Weltmeisterteam bekleiden heute nur Stefan Reuter (Manager in Augsburg), Jürgen Klinsmann (US-Nationaltrainer) und Rudi Völler (Sportdirektor in Leverkusen) noch wichtige Ämter im Fußball. Dazu kommt der damalige, dritte Keeper Andreas Köpke, der immerhin Torwarttrainer der Nationalelf ist. Der Rest ist irgendwo verloren gegangen oder heißt Lothar Matthäus. Von Effenbergs WM-Team 1994, das er nach einem Fingerzeig früh verlassen musste, hat neben Köpke, Klinsmann und Völler nur Matthias Sammer (Bedenkenträger beim FC Bayern) überlebt. Stefan Kuntz hört im Sommer als Vorstandschef in Kaiserslautern auf. Die anderen machen TV-Talkrunden (Thomas Helmer), oder heißen Oliver Kahn.
These: Die gesteigerte Komplexität des Spiels in den letzten zehn Jahren hat nicht nur dazu geführt, dass der Kollektivfußball (Stichwort Gegenpressing) den Heldenfußball (Stichwort: Gib mir die Kirsche!) abgelöst hat. Sie hat auch bewirkt, dass die alten Helden von früher nach ihrer Profizeit nicht mehr automatisch in eine erfolgreiche Trainerkarriere überführt werden. In der Bundesliga sind heute die Trainer in der Überzahl, die eine durchschnittliche und manchmal kaum zu erwähnende Laufbahn als Aktive hingelegt haben: Thomas Tuchel (BVB), Armin Veh (Frankfurt), André Breitenreiter (Schalke), Markus Weinzierl (Augsburg), Ralph Hasenhüttl (Ingolstadt). Von der Nationalelf ganz zu schweigen (Joachim Löw war ein Pendler zwischen erster und Zweiter Liga). Und auch Pal Dardai. Der Ungar mag bei Hertha ein Held sein, weil er die meisten Bundesligaspiele für die Berliner bestritt, aber bundesweit und international war er eine kleine Nummer.
Auf dem Trainerplaneten verschwinden die Spieler-Helden, und es hat eine neue Evolution begonnen: Ein Drittel aller Bundesligatrainer heute wuchs aus einem Jugendteam ihrer Klubs zum Chefcoach empor: Dardai (U15), André Schubert (Gladbach), Jürgen Kramny (Stuttgarts), Martin Schmidt (Mainz), Viktor Skripnik (Bremen) und Julian Nagelsmann (Hoffenheim). Auch sie sind Beispiele für Durchschnittskicker, die es zum Erstligatrainer gebracht haben. Ihnen gehört die Zukunft. Der Tiger und seine Gattung stehen nicht mehr unter Artenschutz.