Die Vernehmung von Mario B. hatte am Mittwochnachmittag kaum begonnen, da geraten er und Richter Manfred Götzl ein erstes Mal aneinander. Der 38-Jährige im dunkelblauen Anzug mit blütenweißem Hemd und Krawatte will dem Staatsschutzsenat seine Wohnadresse in Thüringen nicht nennen.
Der Richter erregt sich darüber, erklärt dem Zeugen, dass er das sagen müsse und weist zugleich seinen Rechtsanwalt auf seine Grenzen hin. „Beruhigen sie sich“, sagt Maio B. zur Richterbank und sein Anwalt betont, dass er dem Zeugen keine Antworten vorgebe. „Rudolstadt“ nennt nun der 38-Jährige, der sein Haar scharf gescheitelt und akkurat geschnitten trägt, als Wohnort. Götzl, bemüht, die Befragung nicht schon am Anfang eskalieren zu lassen, fährt erst einmal fort und erläutert dem Mann, dass dieser doch bitte im Zusammenhang über seine Erkenntnisse zu den Angeklagten Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe sowie zu den verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt berichten möge.
„Bitte die erste Frage“, erwidert diesmal der Zeuge und strapaziert merklich die Geduld von Manfred Götzl. Es gebe keine erste Frage, er wolle, dass der Zeuge im Zusammenhang berichte. Immer wieder reagiert Mario B. an diesem 218. Verhandlungstag vor dem Gericht mit Gegenfragen. Seine Vernehmung schrammt einige Male knapp am Eklat vorbei, doch das Gericht ist in erster Linie an den Aussagen des Mannes interessiert. Dreistigkeiten in dessen Antworten bleiben aber nicht aus. Als es um eine Südafrikareise im Sommer 1998 mit einem weiteren Führungskader der rechtsextremen Szene aus Thüringen geht, fragt ihn Götzl, ob er allein dort gewesen sei. „Nee, Südafrika war voll“, kommt als Antwort.
„Sie sollten sich solche Unverschämtheiten verkneifen“, warnt der Richter den Zeugen und wird diesmal ganz leise. Als sich das Gericht erkundigt, ob im Umfeld der Angeklagten über Waffengesprochen wurde, verweist der Zeuge darauf, dass sich über die Bewaffnung der Polizei und von Linksextremisten unterhalten wurde. Wie es mit Waffen in der rechtsextremen Szene gewesen sei, hakt Götzl nach. Waffen seien von dem einen oder anderen privat befürwortet worden, betont der 38-Jährige. Auch er finde Waffen okay, kenne sich damit aber nur ungenügend. Der Zeuge spricht davon, dass in den 90er Jahren der Staat ziemlich Druck ausgeübt und Jugendlich bei Nichtbeachten der Regeln „vor die Gerichte gezerrt“ habe. Sie vor diesen Fallstricken zu bewahren, sei auch ein Verdient eines der Führungskader der Szene gewesen.
Bei der Charakterisierung des Angeklagten Ralf Wohlleben verweist er darauf, dass dieser um das Jahr 2000 einen anderen Weg genommen und mit der NPD in einer demokratischen Partei eine Funktion und Verantwortung übernommen habe. Dass gegen diese Partei derzeit auf Antrag der Bundesländer ein Verbotsverfahren läuft, weil die NPD sich nicht mehr im Rahmen des Grundgesetzes bewegen soll, ignorierte der Zeuge. Am 218. Verhandlungstag blieben sein Äußerungen vor Gericht unwidersprochen.
Denn außer dem Staatsschutzsenat erhielt noch keiner der Prozessbeteiligten das Fragerecht, da die Verhandlung am späten Nachmittag wegen der fortgeschrittenen Zeit unterbrochen werden musste. Die linke Bundestagsabgeordnete Martin Renner zeigte sich am Rande der Verhandlung entsetzt über das Auftreten des Zeugen. Er vertritt aus ihrer Sicht offen im NSU-Prozess eine rechtsextreme Ideologie. Zur Dreistigkeit seines Auftritts habe aber auch beigetragen, dass bei früheren Zeugen aus der rechtsextremen Szene nicht konsequent eingeschritten wurde, wenn der Verdacht bestand, dass ihre Äußerungen Straftaten sein könnten, sagte sie unsere Zeitung.