Radikal-islamische Salafisten haben am Wochenende in deutschen Städten Koran-Exemplare kostenlos verteilt. Die Aktion ist umstritten.

Die Debatte um das kostenlose Verteilen von Koranen durch Salafisten reißt nicht ab. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, forderte am Wochenende „eine stärkere Aufklärung über die wahren Absichten der Salafisten“. Der Verein „Die wahre Religion“ verteilte derweil am Sonnabend erneut Korane in deutschen Innenstädten.

"Dass der Salafismus mit seiner Ideologie zum Radikalisierungsprozess von Menschen beitragen kann, hat beispielsweise der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen im letzten Jahr gezeigt“, sagte Ziercke der „Welt am Sonntag“. Der junge Täter Arid U. hatte im März 2011 zwei US-Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt. Er soll durch Kontakt mit dem Salafismus radikalisiert worden sein. Ziercke sagte, die Beobachtung der salafistischen Szene in Deutschland durch den Verfassungsschutz sei eine wichtige Voraussetzung, um Straftaten frühzeitig zu erkennen.

Nicht nur Werbung für den Glauben

Die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, sagte der Zeitung „B.Z.“ (Samstagsausgabe), den Salafisten gehe es „um Propaganda und die Rekrutierung von Anhängern“. „Ziel dieser Kampagne ist, Interessierte in Kontakt mit der salafistischen Szene zu bringen und sie im Sinne ihrer politisch-extremistischen Ideologie zu beeinflussen.“ Der Salafismus sei stark radikalisierungsfördernd und werde von seinen Anhängern als „einzig wahrer Islam“ vermittelt.

Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der „Passauer Neuen Presse“, es gehe den Salafisten nicht nur um Werbung für den Glauben, „sondern um Werbung für eine radikale politische Ideologie, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist“.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Samstag ein bundesweites „Präventionskonzept“ gegen Salafisten. Einen entsprechenden Vorstoß kündigte er für die kommende Islamkonferenz am Donnerstag an.

Panische Debatte

Dagegen kritisierte der Vorsitzende des Islamrates und Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, Ali Kizilkaya, die Debatte über die Salafisten als „etwas panisch“. „Es ist grundsätzlich erlaubt, religiöse Schriften und damit auch den Koran zu verteilen“, sagte Kizilkaya der „Frankfurter Rundschau“ (Samstagsausgabe). „Das ist so ähnlich, als würde man die Bibel verteilen.“ Allerdings seien die Salafisten „eine sehr umstrittene Gruppe“.

Der grüne Innenexperte Volker Beck betonte ebenso, am Verteilen des Koran an sich sei nichts auszusetzen. Die „Waffe der Demokratie“ gegen die „neufundamentalistischen“ Salafisten sei das Wort. Entsprechend seien hier insbesondere die Imame und die muslimischen Verbände gefordert, klar Stellung zu beziehen.

Anhänger einer fundamentalistischen Strömung des Islam

Der hinter dem Verteilen des Koran stehende Prediger Ibrahim Abu Nagie sagte derweil der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, er werde die Aktion wie geplant fortsetzen. Das Verbreiten des Koran sei „die Pflicht“ jedes Muslims. Er werde dieser Pflicht nachkommen, obwohl er täglich von Polizei und Verfassungsschutz „terrorisiert“ werde und unter der „Medienhetze“ leide.

Salafisten sind Anhänger einer fundamentalistischen Strömung des Islam. Sie streben nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden einen islamischen Gottesstaat an, der mit der westlichen Demokratie unvereinbar ist. Die Behörden gehen derzeit von rund 4000 Menschen im salafistischen Umfeld in Deutschland aus. Davon sei etwa ein Dutzend als Führungspersönlichkeiten einzustufen.