Angesichts der jüngsten Ermittlungen zur Neonazi-Zelle will sich Innenminister Friedrich für ein neues NPD-Verbotsverfahren stark machen. Zuletzt forderte dies die SPD auf ihrem Parteitag. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, befürchtet ein erneutes Scheitern.

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Umgang der Politik mit der Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahrens scharf kritisiert. „Meine Befürchtung ist, dass sich die Politik für einen neuen NPD-Verbotsantrag entscheidet, ohne vorher die Erfolgsaussichten genau zu prüfen“, sagte Papier der Zeitung „Die Welt“. „Die Politik ist dabei, wieder in eine unsägliche Falle hineinzulaufen.“

In einem Verbotsverfahren müsse bewiesen werden können, dass „die Partei als solche die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft“, betonte der einstige Gerichtspräsident. „Die NPD – und nicht nur einer ihrer Funktionäre – müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein.“ Dieser Nachweis werde nicht einfach zu erbringen sein, sagte Papier. „Da müssten die Ermittlungen noch mehr ergeben.“

Nach der Festnahme des langjährigen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben, der die Zwickauer Terrorzelle unterstützt haben soll, hatten sich Politiker parteiübergreifend für ein neues NPD-Verbotsverfahren stark gemacht – auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. „Die Diskussion um das NPD-Verbot hat eine neue Dynamik erhalten“, sagte Friedrich. Angesichts der jüngsten Ermittlungsergebnisse sprach sich die SPD am Wochenende auf ihrem Parteitag für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren aus.

Einige Politiker äußerten die Hoffnung, die Problematik der V-Leute werde angesichts von Verbindungen zwischen dem ehemaligen NPD-Funktionär und der Terrorgruppe bei einem neuen Verfahren in den Hintergrund treten. Der Einschätzung trat Papier klar entgegen. „So lange nicht erwiesen ist, dass die NPD als solche von einer verbrecherischen Grundtendenz beherrscht wird, bleibt die Frage der Informanten relevant“, sagte er. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht gefordert, dass sämtliche V-Leute aus der NPD abgezogen werden müssten. „Allerdings muss die Staatsfreiheit der Führungsebene unmittelbar vor und während des Verbotsverfahrens gewährleistet sein.“

Auslöser der Debatte ist die jüngst aufgedeckte Mordserie der Zwickauer Neonazi-Gruppe an neun Geschäftsleuten mit ausländischer Herkunft und einer Polizistin. Der rechtsextremistische Hintergrund der Taten zwischen 2000 und

2007 kam erst ans Licht, als Anfang November zwei Mitglieder der Zelle nach einem Banküberfall tot aufgefunden und in ihrer Wohnung Tatwaffen entdeckt wurden. Nach der Festnahme des Ex-NPD-Funktionär Wohlleben hoffen viele, dass der Nachweis weiterer Verbindungen zwischen der NPD und der Terrorzelle ein neues Verbotserfahren erleichtern könnte. Ein erster Anlauf war 2003 am Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil in der Partei zu viele V-Leute staatlicher Geheimdienste tätig waren. Doch daran soll sich bisher nicht geändert haben. Auch Innenminister Friedrich will auch künftig auf keinen Fall auf V-Leute in rechtsextremen Kreisen verzichten.