Mitgliederforum

Beruhigungspillen für die Basis der Berliner SPD

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Jens Anker

Auf einem nicht öffentlichen Mitgliederforum will die Parteispitze der Berliner SPD die Basis besänftigen und erklären, warum die rot-grünen Verhandlungen gescheitert sind. Der Koalition mit der CDU soll so nichts mehr im Weg stehen.

Zwei Tage vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU laden die Sozialdemokraten zu einem Mitgliederforum ein. Die Parteispitze will der Basis erklären , warum die rot-grünen Verhandlungen scheiterten und es jetzt darum geht, einen gemeinsamen Weg mit den Christdemokraten zu suchen. Die Veranstaltung soll dazu dienen, die Kritiker einer rot-schwarzen Koalition zu besänftigen.

Ursprünglich wollte die SPD unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den Grünen anfangen, mit der CDU zu verhandeln. Doch die Christdemokraten wurden von der Einladung Wowereits vollständig überrascht. Landes- und Fraktionschef Frank Henkel befand sich mit Freunden auf dem Weg zur Wartburg nach Eisenach, als ihn die Nachricht erreichte. Andere führende CDU-Politiker waren ebenfalls in den Urlaub gefahren. Die Christdemokraten baten deshalb um ein paar Tage Vorbereitungszeit, bevor sie sich am Mittwoch gemeinsam mit der SPD an den Verhandlungstisch im Roten Rathaus setzen.

Dass die rot-grünen Gespräche in Berlin gescheitert sind und nun alles auf ein Bündnis zwischen SPD und CDU hindeutet, hat bei Berliner Interessenvertretern unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Umweltverbände bedauerten, dass die Grünen nicht mitregieren werden und die Autobahn 100 nun wahrscheinlich gebaut wird. Andere, wie der ADAC und die Gewerkschaft der Polizei, begrüßten eine große Koalition.

ADAC ist über Scheitern erfreut

Das Kernthema ist für viele die A100, an dem die Sondierungsgespräche scheiterten. „Jetzt werden zwei Parteien regieren, die klar für das Projekt sind“, sagte Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND Berlin. „Wir bedauern es sehr, dass Rot-Grün gescheitert ist.“ Energetische Sanierungen, Lösungen für das S-Bahn-Netz und der Schutz des natürlichen Grüns in Berlin seien Kernthemen, in denen der BUND von der Regierung verlange, dass sie sich ihrer annehme. „Da stellen wir die gleichen Anforderungen an Rot-Schwarz.“

Beim ADAC ist man über die Entwicklungen erfreut – insbesondere in Sachen A100. „Wir waren immer skeptisch, was einen Kompromiss angeht“, sagte Jörg Becker, Leiter Verkehr beim ADAC Berlin-Brandenburg. Auch andere Straßenbauprojekte profitierten von der großen Koalition. „Die Tangentialverbindung Ost, die nordöstliche Bezirke besser anbindet, ist genauso wichtig“, so Becker.

Dass die A100 gebaut wird, freut auch die Wirtschaft. „Wir waren immer für das Projekt“, sagte Bernhard Schodrowski, Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). „Wir erwarten, dass jetzt zügig eine stabile Regierung gebildet wird, um die Probleme der Stadt anzupacken.“ Die Arbeitslosigkeit müsse in der nun beginnenden Legislaturperiode halbiert werden, die Verwaltung bedürfe dringend einer Modernisierung und für das alte Flughafengelände in Tegel müsse auch dringend eine neue Nutzung gefunden werden.

Nicht alle Interessenvertreter beschränkten sich auf Kommentare zum Ausbau der Stadtautobahn. „Der Streit über die A100 setzt meines Erachtens einen falschen Fokus. Mindestens ebenso wichtig sind Fragen zur Bildungspolitik, die nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen sicher eine neue Richtung bekommen werden“, sagte Sigrid Baumgardt, Vorstandsvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Baumgardt befürchtet im Falle einer großen Koalition Probleme bei der Weiterführung der Berliner Schulreformen. So setze sich die CDU für eine Förderung des grundständigen Gymnasiums ein. „Das steht dem Ausbau des integrierten Schulsystems im Wege“, sagte sie. Auch im Hochschulwesen sieht sie Unterschiede zum Programm der CDU. So fordert die GEW etwa eine kontinuierliche Förderung von Lehramts-Studenten durch das gesamte Studium hindurch. Die CDU hingegen beachte laut Baumgardt bei ihren Überlegungen lediglich die Zahl der freien Studienplätze und den Bedarf an ausgebildeten Lehrkräften im Land.

Helmut Sarwas von der Deutschen Polizeigewerkschaft zeigt sich hingegen erfreut über eine große Koalition. „Aus unserer Perspektive hätte Rot-Grün einen Rückschritt bedeutet“, so der stellvertretende Vorsitzende. Gespannt ist er auch auf den Ausgang der Verhandlungen über die Neubesetzung des Berliner Polizeipräsidenten. „Angesichts der neuen Koalitionsgespräche könnten wir uns vorstellen, dass noch einmal Bewegung in die Personalfrage kommt“, so Sarwas. –ker/jas/pkh