Rot-Schwarz

Unruhige Zeiten für die SPD nach Schwenk zur CDU

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Joachim Fahrun
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SPD und CDU haben es eilig in Berlin

Noch vor zehn Jahren endete Schwarz-Rot in Berlin mit einem spektakulären Bruch. Der Juniorpartner SPD kündigte der CDU die Koalition. Jetzt nähern sich SPD und CDU fast auf Samtpfoten wieder an.

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Auf dem Weg zu Rot-Schwarz sind die Parteilinken der SPD zwar enttäuscht. Dennoch halten sich die Kritiker zurück: Michael Müller wird wohl trotzdem den Fraktionsvorsitz zugunsten eines linken Nachfolgers aufgeben müssen.

Michael Müller weiß, dass es nicht leicht wird für ihn. Der rasante Schwenk von der sozialdemokratischen Wunsch-Koalition hin zu den ungeliebten Christdemokraten hat viele in der SPD verstört, trotz des einstimmigen Votums im Landesvorstand. Das werde noch ein hartes Stück Überzeugungsarbeit, räumte der SPD-Landespartei- und Fraktionschef am Donnerstag ein. Doch wegen der A100 sei es notwendig gewesen, die Reißleine zu ziehen, das sei im Landesvorstand von allen Strömungen der SPD abgesegnet worden.

Den SPD-Linken war auch keine andere Wahl geblieben, als zuzustimmen, wenn sie nicht Wowereit und Müller gleichzeitig zu Fall bringen wollten. Dennoch dürfte zumindest der Landes- und Fraktionschef den unterdrückten Zorn für den als „Alleingang“ eingestuften Richtungswechsel zu spüren bekommen.

„Er muss sich in den Senat retten“, sagte ein SPD-Linker. Den Fraktionsvorsitz könnte Müller dann kampflos den Linken überlassen. Mit dem Spandauer Kreischef Raed Saleh, 34, steht schon ein ambitionierter Nachfolger bereit.

Müller und Wowereit verbreiten intern nicht den Eindruck, als wollten sie Saleh verhindern. Ein linker Fraktionschef könnte ihnen nutzen, so das Kalkül. Dann wäre der linke Flügel an führender Stelle eingebunden. Saleh müsste die Mehrheiten sichern und dafür sorgen, dass die linken Kritiker stillhalten. Saleh wiederum sieht sich als Hüter linker Werte in einer rot-schwarzen Koalition. Es gehe darum, möglichst viele sozialdemokratische Positionen festzuschreiben, sagte Saleh. „Die CDU muss Farbe bekennen und zeigen, dass sie fortschrittlich sein kann.“

Streit um Rekommunalisierung

De jungen Wilden haben darauf verzichtet, sich offen gegen Wowereit und Müller zu stellen. Die Strategie verrät der langjährige Abgeordnete und Linken-Ideengeber Hans Georg Lorenz, der sich nach Jahrzehnten im Parlament in seine Spandauer Rechtsanwaltskanzlei zurückgezogen hat. „Nicht innerparteiliche Opposition spielen, sondern einen guten Koalitionsvertrag herausholen“, rät Lorenz. Dann sollten die jungen Abgeordneten in der Koalition die SPD-Position der Linken schärfen und die Nachfolge für die Spitzenleute organisieren.

Dass Klaus Wowereit und Landeschef Michael Müller nun die SPD in ein Bündnis mit der CDU führen, empfindet Lorenz als „traurig“ für die SPD: „70 Prozent der Berliner wollen eine moderne Politik und wir kommen mit dieser Uralt-Variante“, sagt Lorenz, der noch heute unzufrieden ist mit der großen Koalition, die ab 1991 bis 2001 reagierte und schließlich am Bankenskandal zerbrach.

Mancher in der SPD argwöhnt, es werde Wowereit nicht schwerfallen, Positionen zu räumen, die den Linken besonders wichtig sind: Rückkauf der privatisierten Anteile der Wasserbetriebe, Rekommunalisierung der Gas- und Stromnetze sowie Stärkung des kommunalen Einflusses auf den S-Bahn-Verkehr, standen im Wahlprogramm. Wowereit steht all diesen Vorhaben eher skeptisch gegenüber. Stets betont er, dass das kein Geld kosten dürfe.

Dass Wowereit sich in Verhandlungen mit der CDU für diese Ziele starkmacht, bezweifeln linke Sozialdemokraten. Zudem sei die inhaltliche Position oft unscharf: „Wir haben doch zur S-Bahn zehn verschiedene Positionen“, kritisiert ein Abgeordneter.

Der Schwenk zur CDU hat aber auch die pragmatische Gruppe Berliner Mitte irritiert. Deren Sprecher Jörg Stroedter formuliert eher strategische Argumente gegen Rot-Schwarz. Die SPD rutsche in einer überwiegend linken Stadt nach rechts. In der Bundestagswahl 2013 und in der nächsten Abgeordnetenhaus-Wahl 2016 könne die Partei nicht scharf gegen die Partner von der CDU schießen. Am Ende würden beide Parteien verlieren.

Die Exponenten des rechten SPD-Flügels blicken hingegen hoffnungsfroh in die Zukunft. Mittes Bürgermeister Christian Hanke war immer gegen Rot-Grün. Schon bei der Landesvorstandssitzung nach den Sondierungen mit Grünen und CDU, als fast alle Genossen für Rot-Grün votierten, stimmte Hanke dagegen. Jetzt verweist der Sprecher der parteirechten Gruppierung Aufbruch darauf, dass ja sogar der Linken-Vertreter Mark Rackles nach den Koalitionsgesprächen den Grünen Regierungsunfähigkeit attestierte.

Seinen Parteifreunden wirft der Bürgermeister vor, irrational zu sein. „Das Bauchgefühl für die Grünen kommt aus den 80er-Jahren“, sagte Hanke. Sie hätten nicht mitbekommen, wie sich die Grünen verändert hätten, nämlich hin zu einer eher liberalen Partei. Mit der CDU hingegen werde ein Bündnis funktionieren.

Dennoch bleibt Skepsis bei vielen Mitgliedern der Berliner SPD. „Ob nun wirklich Rot-Schwarz kommt, das wird man sehen. Ich bin davon noch nicht hundertprozentig überzeugt“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) der „Mitteldeutschen Zeitung“. Er sei „schon ein bisschen enttäuscht“, erklärte Thierse. Die Stimmung nach der Abgeordnetenhauswahl in der Stadt und in der Partei habe für Rot-Grün gesprochen.

Für neue Spekulationen um die Zukunft von Klaus Wowereit sorgte die „Mitteldeutsche Zeitung“ auch mit der Meldung, wonach Wowereit im Jahr 2013 für den Bundestag kandidieren wolle. Das sei Quatsch und reine Spekulation, sagte Wowereit dazu am Donnerstag. Allerdings hatte es schon am Vortag innerhalb der Berliner SPD Spekulationen gegeben, dass der Wechsel von den Grünen hin zur CDU auch mit einem Wechsel im Amt des Regierenden Bürgermeisters zusammenhängen könnte. Danach würde Wowereit 2013 den Staffelstab an den bisherigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Michael Müller weitergeben, der im neuen Senat voraussichtlich einen Senatorenposten übernehmen wird. Bei einer SPD-CDU-Koalition sei ein solcher Wechsel sicherer als mit den Grünen, hieß es in der SPD.