Integrationsdebatte

Leserbriefe zum Kreuzberg-Besuch Sarrazins

| Lesedauer: 13 Minuten

Foto: Amin Akhtar

Am Sonntag schrieb der Bestsellerautor und ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin, wie er aus Berlin-Kreuzberg verjagt wurde. Jetzt äußern sich Leser der Berliner Morgenpost. Eine Auswahl der Meinungen.

Thilo Sarrazin war in Kreuzberg unterwegs , wollte Gespräche über Integration führen – doch zu Diskussionen kam es erst gar nicht. Sarrazin wurde als Rassist und Nazi beschimpft – und aus dem Kiez verjagt. Seine Erlebnisse schrieb der frühere Finanzsenator und Bestseller-Autor („Deutschland schafft sich ab“) am Sonntag für Morgenpost Online auf. Der Artikel sorgte für große Aufregung, viele Zeitungen haben das Thema aufgegriffen. Die Frage, wie liberal Kreuzberg ist, wurde zu einer nationalen Debatte. Morgenpost Online erreichte eine große Anzahl an Leserbriefen. Eine kleine Auswahl:

Leider haben wieder einmal Hitzköpfe den Versuch zunichtegemacht, einen harten Kritiker auf seriöse Weise zu überzeugen, dass er irrt. Im Gegenteil, Menschen, von denen ich annehme, dass sie Sarrazins Buch nie gelesen haben, beweisen, dass sie nicht in der Lage sind, intellektuell zu argumentieren. Schlimmer noch, diejenigen, die guten Willens waren, ihm zu beweisen, dass es auch anders geht, wurden von denen, die man bei uns Pöbel nennt, bedroht.

Michael Boller, per E-Mail

Welche Zustände herrschen in dieser Stadt, wenn unter der ausdrücklichen Billigung von Grünen und SPD-Politikern ein unbescholtener und seriöser Mann vor laufender Fernsehkamera von muslimischen Migranten aus einem Berliner Stadtbezirk vertrieben werden kann und darf. Freie Meinungsäußerung und Dialogbereitschaft, also im Grundgesetz verbriefte demokratische Rechte, werden von eben diesen Migranten mit Füßen getreten. Was die sich zumindest teilweise immer stärker radikalisierende türkische Gemeinde von Integration und unserer Weltordnung hält, kann man wohl nicht deutlicher zeigen.

Michael Vierck, Hermsdorf

Warum tut Thilo Sarrazin sich das an? Wenn man die Leute provoziert, dann reagieren diese entsprechend. Was Sarrazin in einem Kreuzberger Restaurant erlebte („Hau ab, keine Bedienung“), das hätte er auch so in einem anderen Bezirk erleben können.

Christian Lukner, per E-Mail

Ich habe das Buch von Sarrazin noch nicht gelesen, nur sehr viel darüber gehört. Mir scheint, dass der Senator a.D. eine Bestätigung suchte, dass seine Thesen von der bildungsfernen Gesellschaft tatsächlich auch zu einem Mangel an Verständnis für Sinn und Notwendigkeit von Toleranz geführt haben. Wenn sich in dieser Bevölkerungsgruppe nicht Eltern finden, die sich um mehr Integration ihrer Kinder bemühen, wird der Titel des sarrazinschen Buches zur Gewissheit.

Peter Schulz, Schöneberg

Wer Wind sät, der wird Sturm ernten! So auch Thilo Sarrazin. Was hat er denn um Gottes Willen erwartet? Es sind ja nicht nur die in seinem Buch hinlänglich bekannten und nicht unumstrittenen Thesen, sondern die in diversen Artikeln Gescholtenen, die nur Obst und Gemüse verkaufen können und ansonsten nur „Kopftuchmädchen“ produzieren. Sarrazin hat sich in menschenverachtender Weise über eine Bevölkerungsschicht erhoben, die man nicht unbedingt nur über Tabellen und Grafiken beurteilen kann, sondern das Spektrum ist ganz breit gefächert.

Dagmar Kley, Spandau

Sarrazin zeigt auch in diesem Beitrag wieder einmal seine ungebrochene Vorliebe für Schubladendenken und plumpe Verallgemeinerungen: Die Abweisung der alevitischen Gemeinde und die ablehnenden Haltungen auf dem Türkenmarkt als typische Strategien des Beleidigtseins „der“ Araber und Türken, seine Erlebnisse als „die“ Zustände in Kreuzberg und natürlich er, Sarrazin, „als deutscher Gast“ rausgeworfen. Sarrazin wurde nicht als Deutscher so behandelt, wie er behandelt wurde, sondern als Mensch, der mit diversen Aussagen in der Öffentlichkeit und letztlich in seinem Bestseller tendenziös araber- und türkenfeindliche Positionen vertreten und Vorurteile salonfähig gemacht hat. Zu einer sachlichen Debatte trägt dieser Mann mitnichten bei.

Nadja Karim, per E-Mail

Nein, Herr Sarrazin hat durch seinen Besuch in Kreuzberg absolut nicht provoziert, sondern Stärke bewiesen. Hier wurde die einmalige Chance, sich in offener Diskussion über eine gelungene oder nicht gelungene Integration auszutauschen, kaputtgeschrien. Dass der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu die lautstarke Kritik an Sarrazins Besuch mit den Worten beschreibt ,,das sei kein Zeichen von Intoleranz, sondern ein Zeichen von politischer Reife“ zeigt, dass auch Grüne mit geschlossenen Augen durch Berlin gehen. So werden die vorhandenen rot-roten Fehlentscheidungen in der Integrationspolitik nicht beseitigt. Der alevitische Gemeindevorstand und der türkische Berliner Unternehmer Ahmet Aygün haben einen großen, nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen. Hier bestand eine große Chance, ins Gespräch zu kommen und nicht immer nur noch einen Schlag draufzusetzen.

Klaus Okrafka, per E-Mail

Das, was mit Sarrazin in Kreuzberg passiert ist, gibt ihm und seinen Thesen erneut recht. Nachdem er sich mit anpassungsfähigen und -bereiten Migranten unterhalten hat, machten all jene Stimmung, die nie in Deutschland ankommen werden. Die keine Bereicherung für unsere Kultur sind und weder unseren noch Sarrazins Respekt verdienen. Aber genau jene meinen, Kreuzberg zu sein und dort die Stimmung gepachtet zu haben.

Ralf Drescher, per E-Mail

Als treuer Morgenpost-Leser bin ich entsetzt darüber, dass Sie den Sarrazin-Artikel so gedruckt haben. Sie haben selbst vor geraumer Zeit mehrfach über Sarrazins Aussagen berichtet. Man erinnere nur an die „Kopftuchmädchen“ oder die diskriminierenden Aussagen über Hartz-IV-Empfänger. Nun lassen Sie diesen Mann in Ihrer Zeitung äußern, er habe nie jemanden beleidigt. Das ist eine Verhöhnung aller Morgenpost-Leser. Allein die Aussage von Sarrazin über das kollektive Beleidigtsein muslimischer Volksgruppen und dass dies nicht ernst zu nehmen sei, ist eine weitere Beleidigung. Das Allerschlimmste jedoch ist, dass Sarrazin die Medien mit solch wohlkalkulierten und durchdachten Aktionen benutzt, um hinterher sagen zu können: Seht her, mit denen kann man ja nicht reden. Ein Dialog mit der muslimischen Bevölkerung in unserem Land sieht anders aus.

Jörg Holjewilken, Charlottenburg

Sarrazin, der die Menschen aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Herkunft beschimpft, beleidigt und ausgrenzt, der die Gesellschaft spaltet, darf sich nicht wundern, wenn er in Kreuzberg nicht bedient oder empfangen wird.

Figen Ýzgin, per E-Mail

Eine Provokation wird erst dann perfekt, wenn sie als solche angenommen wird. Sarrazin und das ZDF wollten provozieren, und Kreuzberger Muslime haben sich provozieren lassen. Der Ex-Senator wird sich in seinen Thesen bestätigt sehen. Öffentlich den Eindruck zu erwecken, man könne „No-go-Areas“ für ehemalige Senatoren schaffen, die Dinge aussprechen, die schwer verdaulich sind, ist das Falscheste, was man machen kann. Man stelle sich vor, Leute versammelten sich vor einer Moschee, deren Imam ein salafistischer Hassprediger ist, und riefen „Hau ab, hau ab“. Wie wäre die Reaktion derjenigen, die jetzt Sarrazin wegen seines Besuchs in Kreuzberg kritisieren?

Dr. Matthias Judt , per E-Mail

So weit ist es in Berlin gekommen. Ein ehemaliger Finanzsenator wird aus einem Stadtbezirk verjagt, weil er seine qualifizierte Meinung und Erfahrung über zugewanderte Mitbürger kundtut. Armes Deutschland. Wie soll das nur weitergehen bei der Zuwanderungsquote ausländischer Mitbürger?

Mona Berg, per E-Mail

Der Senatssprecher lehnt es ab, den Besuch von Sarrazin in Kreuzberg zu kommentieren. Berlin wäre eine tolerante Stadt. Das mag sein, aber wie sieht es aus mit der Toleranz und dem Verständnis bei den Migranten? Die Warnung von CDU-Chef Frank Henkel, man sollte über die Integrationsprobleme reden dürfen, ist wichtig. Die weiteren Kommentare von SPD- und Grünen-Politikern wie Özcan Mutlu sind einfach lächerlich. Es ist höchste Zeit, das Integrationsproblem anzupacken. Bald ist es zu spät!

Kurt Lindström, Kleinmachnow

Durch die Kommentare vorschneller Sozialromantiker und auch von Politikern, die Sarrazins Buch offensichtlich nicht gelesen oder verstanden haben, werden die Fakten demagogisch umgedeutet. So kam es, wie es kommen musste, dass der Autor des Buches als Bürger unserer Stadt als Rassist und Nazi beschimpft und praktisch aus Kreuzberg vertrieben wird, weil eine Gruppe, die kein Interesse an einem Gespräch hat und es auch nicht für andere zulassen will, es so möchte. Wenn es so weit ist, dass nur noch Zutritt zu einzelnen Bezirken für unkritische Menschen besteht, ist der Beweis erbracht, dass Multikulti gescheitert ist.

Dieter Meier, Tegel

Dieser Vorfall ist leider kein Einzelfall, sondern Alltag eines jeden Menschen, der auch nur den Hauch von Kritik an unseren Kulturbereichen verlauten lässt. Hier zeigt sich, wie auf der einen Seite nach Toleranz und Sonderrechten geschrien wird, auf der anderen Seite aber eine Diskussion über Fakten unmöglich gemacht wird.

Sebastian Herrmann, per E-Mail

Das Verhalten des SPD-Kreisvorsitzenden und Stadtrates von Friedrichshain-Kreuzberg ist für mich der Grund, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus nicht die SPD zu wählen. Wer die Reaktion fanatischer radikalisierter Muslime aller Nationen für einen Ausdruck der Zivilgesellschaft eines Bezirks hält und im gleichen Atemzug den Aufenthalt eines Mitglieds seiner Partei in Kreuzberg als „unerwünscht“ bezeichnet, hat sich selbst als Mitglied der Zivilgesellschaft verabschiedet.

Bernhard Rogge, per E-Mail

Es ist enttäuschend, dass die Morgenpost Sarrazin seit Tagen Aufmerksamkeit mit verschafft. Der Artikel, in dem er den ehrlich erstaunten und verletzten Menschenfreund mimt, der lediglich Missstände ansprechen wollte und mit der Empörung der Kreuzberger, die pausenlos „kleine Kopftuchmädchen produzieren“, nicht gerechnet hat, gehört in eine Boulevardzeitung. Seriöse Berichterstattung sollte keine Werbeveranstaltung für einen Mann ohne Ideen sein, der bereits genug Geld mit einem Problem verdient hat, an dessen Lösung er nicht interessiert ist.

Stephanie Santos, per E-Mail

Die von blindem Hass und Intoleranz dominierte Reaktion auf Sarrazin und sein Buch ist nur dadurch erklärbar, dass die Mehrheit dieser so empörten Gutmenschen sich niemals der Mühe unterzogen hat, das Buch auch nur ansatzweise zu lesen. Sie haben sich stattdessen lieber die von den Medien mundgerecht servierte „öffentliche Meinung“ zu eigen gemacht und glauben ernsthaft zu wissen, worüber sie reden und urteilen.

Dr. Uwe Behrendt, Schöneberg

Obwohl ich mich immer für das direkte, klärende Gespräch einsetze, kann ich doch die Wut vieler Migranten verstehen, die Sarrazin nun aus Kreuzberg vertrieben haben. Dieser Mann hat es fertiggebracht, mit seinem Buch unhaltbare Thesen und Statistiken zu verbreiten, die keiner seriösen wissenschaftlichen Überprüfung standhalten. Er hat Emotionen hochgekocht und jahrelange Integrationsarbeit zunichtegemacht.

Th. Henschke, Waidmannslust

Sollte es sich um das spontan erwachte gesunde Volksempfinden der türkischen Bewohner dieses Stadtteils gegenüber einem öffentlichen Kritiker des Islam und der missratenen Integrationspolitik gehandelt haben, können wir autochthonen Bewohner dieses Landes für die nächste Zukunft nur das Schlimmste erwarten.

Holger Arppe, per E-Mail

Sarrazin sagt nicht seine Wahrheit, sondern die Wahrheit über die Einstellung eines Teils der Muslime. Der Vorfall zeigt, warum viele Deutsche und Migranten ihre Meinung nicht laut sagen. Der Vorfall ist eine Schande für Berlin, das Ganze für Berlin eine Schande!

Herbert Thiel, per E-Mail

Integration sollte in erster Linie von den hier freiwillig wohnenden und von der freiheitlichen Grundordnung profitierenden Zuwanderern geübt werden. Beschimpfungen und aggressive Verhaltensweisen, die in den Herkunftsländern unmöglich wären, sollten wir aus Prinzip nicht dulden.

Lothar Schulz, per E-Mail

Dass die Morgenpost einer besonnenen und objektiven Bürgerin in Gestalt von Güner Balci zuvorderst das Wort erteilte, war ein guter journalistischer Schachzug. Die Äußerung von Bezirksstadtrat Jan Stöß (SPD) dagegen, Sarrazin hätte nicht nach Kreuzberg kommen sollen, schockiert mich. Macht sie die Haltung unserer linken Landesregierung doch mehr als deutlich.

M. Lenz, per E-Mail