Rangeleien

Festnahme und Pfefferspray bei "Stuttgart 21"-Demo

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Demonstranten akzeptieren den Schlichterspruch zum Bahnprojekt "Stuttgart 21" nicht. Nach einer Demonstration setzte ein Polizist Pfefferspray ein.

Vier Tage nach dem Ende der Schlichtung zu Stuttgart 21 sind wieder mehrere tausend Menschen gegen das Bahnprojekt auf die Straße gegangen. Nach Polizeiangaben folgten am Samstag mehr als 3000 Gegner dem Aufruf der sogenannten Parkschützer, die nicht an dem Schlichtungsprozess teilgenommen hatten. Die Organisatoren sprachen von 10000 Teilnehmern.

Der geplante Tiefbahnhof und die neue Schnellbahntrasse nach Ulm sorgten auf dem Landesparteitag der Grünen in Bruchsal für Differenzen. Unterdessen warnte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vor zu hohen Erwartungen an das Votum des Schlichters Heiner Geißler. Der Vermittler hatte sich nach wochenlangen Gesprächen mit Befürwortern und Gegnern am vergangenen Dienstag für einen Weiterbau des Milliardenprojekts ausgesprochen, aber deutliche Verbesserungen verlangt.

„Herr Geißler hat uns ein dickes Ei gelegt, aber dieses Ei werden wir zu Rührei machen“, sagte der Gründer der Parkschützer, Klaus Gebhard, bei der Kundgebung vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Er fügte hinzu: „Dieser Schlichtungsspruch ist schlicht nicht akzeptabel.“ Als grundlegendes Manko bezeichnete er eine fehlende Bürgerbeteiligung. „Eine Bürgerbefragung, transparente Informationen für alle und ein Bau- und Vergabestopp, das wäre ein wahrer Stresstest.“ Die Bahn hat zugesagt, mit einem sogenannten Stresstest die Leistungsfähigkeit des vorgesehenen Tiefbahnhofs zu überprüfen.

Der Grünen-Parteitag beschloss ohne Gegenstimme eine Resolution gegen Stuttgart 21 und für das Alternativkonzept eines modernisierten Kopfbahnhofs (K 21). Allerdings hatte der Grünen-Bundeschef Cem Özdemir Kompromissbereitschaft gegenüber dem Schlichterspruch angedeutet, während der Landtagsabgeordnete Werner Wölfle an der harten Ablehnung des Milliarden-Bauvorhabens festhielt. Özdemir sagte: „Bündnis 90/Die Grünen akzeptieren den Schlichterspruch, aber sie werden alles dafür tun, damit das, was im Kleingedruckten steht,

1:1 realisiert wird.“ Dagegen sagte Wölfle, der als Chef der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion der Grünen an der gesamten Schlichtung teilgenommen hatte: „Wir sind nicht dazu da, den Schlichterspruch zu realisieren.“ Er fügte hinzu: „Wir werden nicht dafür kämpfen, dass das umgesetzt wird, nicht 1:1 und nicht 2:1.“

Lammert, der in Heidelberg mit dem mit 10000 Euro dotierten Dolf-Sternberger-Preis für Redekunst 2010 ausgezeichnet wurde, sagte zu dem Schlichtungsverfahren: „Ich wundere mich, wie ein solcher Vorgang schnell als Modellcharakter bezeichnet werden kann“. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung könnte durch einen Antiparlamentarismus gefährdet werden. Aus diesem Grund sei er gegenüber plebiszitären Demokratieelementen eher kritisch eingestellt.

Baden-Württembergs Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) bekräftigte: „Wir wollen die in dem Schlichterspruch enthaltenen und von den Kritikern des Bahnprojekts eingebrachten Bedingungen für einen Weiterbau umsetzen.“ Um den Gesprächsfaden zwischen beiden Seite nicht abreißen zu lassen, werde ein Dialogforum eingerichtet.

Nach der Kundgebung in Stuttgart zogen etwa 2000 Menschen durch die Innenstadt, obwohl die „Parkschützer“ einen Protestzug abgesagt hatten. Dabei kam es nach Polizeiangaben zu Behinderungen des Verkehrs und zu einem Tumult vor dem Neuen Schloss, als ein Mann vorläufig festgenommen wurde. Dieser hatte die Polizisten zuvor beleidigt. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, als mehrere Demonstranten versuchten, den Festgenommenen zu befreien. Drei Menschen ließen sich wegen Augenreizungen von Sanitätern behandeln.

( dpa/cl )