Einen Monat nach dem Erdbeben in Japan und dem Beginn der Reaktorkatastrophe von Fukushima wird die Kernenergie in Berlin mit großer Mehrheit abgelehnt. Das ergab eine Umfrage von Infratest Dimap. Eine deutliche Mehrheit wäre sogar bereit, mehr für Strom zu bezahlen.
Die Hauptstädter unterstützen mit übergroßer Mehrheit die Forderung, innerhalb der nächsten zehn Jahre in Deutschland auf Atomenergie zu verzichten. 58 Prozent halten ein Ende der Nutzung der Kernenergie bis 2020 für geboten. 28 Prozent sprechen sich sogar dafür aus, sofort oder so schnell wie möglich aus der Atomkraft auszusteigen. Damit sind 86 Prozent für einen schnellen Ausstieg. Nur zehn Prozent wollen die Meiler bis 2035 laufen lassen. Das bedeutet auch, dass fast kein Berliner dafür ist, darüber hinaus längerfristig die Kernenergie zu nutzen.
Das hat der Berlin Trend ergeben. Infratest Dimap befragte dafür im Auftrag der Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“ zwischen dem 1. und 4. April 1000 wahlberechtigte Berliner.
Den möglichst schnellen Ausstieg fordern vor allem die Wähler der Grünen und der Linken. Von diesen ist mehr als jeder Dritte für die radikalste Lösung. Aber auch im Lager der CDU spricht sich jeder Sechste für die schnellstmögliche Energiewende in Deutschland aus. 58 Prozent der CDU-Anhänger wollen bis 2020 aus der Kernkraft raus. Nur jeder fünfte CDU-Wähler hält die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke für richtig und will erst 2035 die Reaktoren abschalten.
Die Berliner aus der Generation, die mit dem Kampf gegen Atomkraft aufgewachsen sind, erheben in stärkerem Maße die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg als die Jüngeren. Unter den 45- bis 59-Jährigen wollen knapp 40 Prozent sofort raus aus dieser Technologie, die 34- bis 44-Jährigen zu 35 Prozent. In den jüngeren Altersgruppen vertreten nur zwischen 14 und 17 Prozent eine solche Maximalposition. Zwei Drittel der Bürger der Bundeshauptstadt zwischen 18 und 34 Jahren plädieren aber für einen Ausstieg bis 2020. Auch die älteren Berliner wollen schnell raus aus der Atomkraft. 27 Prozent sofort, 61 Prozent bis 2020.
Insgesamt zeigen sich die Frauen deutlich atomkritischer als die Männer. Unter den Wählerinnen erreicht der Anteil derjenigen, die sofort oder spätestens bis 2020 aussteigen wollen, 90 Prozent. Bei den Männern sind es 82 Prozent.
Die Berliner sind sogar bereit, für die Energiewende tiefer in die Tasche zu greifen. 76 Prozent gaben an, gegebenenfalls mehr für Strom zu zahlen, wenn Deutschland schnellstmöglich alle Atomkraftwerke abschalten würde. Nur 22 Prozent sagten, sie seien dazu nicht bereit. Die Bereitschaft, für einen Umstieg persönliche Opfer zu bringen, ist unter den Angehörigen der jungen Generation etwas stärker verbreitet als unter Älteren und liegt dort bei über 80 Prozent. Aber in keiner Gruppe der Bevölkerung akzeptieren weniger als 70 Prozent steigende Strompreise als Folge des Ausstiegs. Das gilt auch für diejenigen Berliner, die finanziell eher schlechter gestellt sind. Die Befragten mit niedrigem Schulabschluss, bei denen tendenziell auch von niedrigeren Einkommen auszugehen ist, würden zu 70 Prozent mehr für atomfreien Strom zahlen. Nur 28 Prozent aus dieser Gruppe lehnen das ab.
In den politischen Lagern ist die Opferbereitschaft unter Anhängern der Grünen am stärksten ausgeprägt. 89 Prozent der Grünen-Anhänger würden mehr bezahlen. Im SPD-Lager sind es 79 Prozent, unter Linke-Wählern 68 Prozent. Aber auch unter den Wählern der CDU gaben 63 Prozent an, sich die Energiewende auch etwas kosten lassen zu wollen. 36 Prozent der Unionsanhänger sagten, dazu seien sie nicht bereit.
Die Wähler zeigen auch Sympathie für den von SPD, Linken und Grünen verfolgten Plan, in Berlin einen eigenen, kommunalen Energieversorger aufzubauen. 69 Prozent halten diese Idee für gut.