Heino Vahldieck ist seit 25. August Hamburger Innensenator. Die Innenministerkonferenz tagt ab Donnerstag in der Stadt.
Morgenpost Online: Herr Senator Vahldieck, die Terrorgefahr steht ganz oben auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz (IMK). Ihr niedersächsischer Kollege Schünemann fordert ein neues Luftsicherheitsgesetz. Sollte die Luftwaffe das Recht erhalten, Flugzeuge mit Bombenfracht abzuschießen?
Heino Vahldieck: Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz 2006 für nichtig erklärt. Für ein neues müssten viele Rechtsfragen geklärt werden, und da sehe ich große Probleme. Es wäre besser, die Luftfracht künftig durch die Bundespolizei kontrollieren zu lassen. Das würde die Sicherheit erhöhen.
Morgenpost Online: Das Gericht hat auch eine anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten verboten. Wird sich die IMK für eine rasche Neuregelung aussprechen?
Vahldieck: Ich bin da sehr zuversichtlich. Alle Innenminister sind für eine zügige Neuregelung, weil der derzeitige Zustand völlig unhaltbar ist. Ohne Vorratsdaten ist eine effektive Terrorabwehr unmöglich. Gleiches gilt beispielsweise für die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet.
Morgenpost Online: Die Gesetzgebung liegt in den Händen von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die es mit einer Neuregelung nicht eilig hat. Muss sie umdenken?
Vahldieck: Sie sollte jetzt endlich über ihren Schatten springen und die Notwendigkeit einsehen. Mir ist bewusst, dass die Belange des Datenschutzes und der inneren Sicherheit miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Man kann aber schnell eine vernünftige Lösung finden, wenn man es wirklich will. Das Gesetz duldet keinen Aufschub: Die Paketbomben haben den Handlungsdruck erhöht.
Morgenpost Online: Ein weiteres wichtiges Thema der IMK ist zwischen unionsregierten und SPD-geführten Ländern strittig: Werden sie sich auf Sanktionen gegen Integrationsverweigerer einigen können?
Vahldieck: Da möchte ich keine Prognose wagen. Beide Seiten sind sich einig, dass Integrationsleistungen belohnt werden müssen. Genauso konsequent muss man aber auch Integrationsverweigerer sanktionieren, entweder durch den Entzug des Aufenthaltsrechts oder die Kürzung von Sozialleistungen. Es geht um Fördern und Fordern – dieser Zweiklang ist mir wichtig.
Morgenpost Online: Wer staatliche Integrationskurse verweigert, wird bisher kaum bestraft. Warum?
Vahldieck: Ohne Meldung an die zuständigen Stellen kann nichts passieren. Deshalb müssen den Ausländerbehörden künftig Daten über Teilnahme, Abbruch und Abschluss eines Integrationskurses übermittelt werden.
Morgenpost Online: Halten Sie den Vorschlag aus Bayern für vernünftig, Migranten die Sozialleistungen zu kürzen, wenn sie nach einem Jahr kein Deutsch sprechen? Oder soll es höhere Bußgelder geben?
Vahldieck: Höhere Bußgelder sind sicherlich nicht der Schwerpunkt. Auch lässt sich das alles schwer umsetzen, denn es gibt Menschen, die sich intensiv bemühen und selbst nach einem Jahr Deutsch noch nicht viel weiter sind als am Anfang.
Morgenpost Online: Sollten Imame vor der Einreise nach Deutschland nachweisen, dass sie Deutsch können?
Vahldieck: Ich finde es wichtig, dass Imame Deutsch können. Trotzdem wird auch dann nicht jeder in unserer Sprache predigen. Und Hassprediger werden jetzt schon genau beobachtet – ganz gleich, in welcher Sprache sie das tun.
Morgenpost Online: Bundesinnenminister de Maizière hatte Ende September von den Ländern Zahlen über Integrationsverweigerer angefordert. Gibt es überhaupt eine Gesamtbilanz?
Vahldieck: Ich habe nicht den Eindruck, dass sich das große Dunkelfeld aufgehellt hat.
Morgenpost Online: Hamburg wollte eine 20-jährige Ghanaerin abschieben – trotz Einser-Abitur. Bundesweit gibt es mehrere Hundert solcher Fälle im Jahr. Warum fordern Sie ein Bleiberecht für gut integrierte junge Leute?
Vahldieck: Man muss jungen Menschen, die sich in Deutschland über viele Jahre hinweg etwa durch ihre Schulleistungen gut integriert haben, eine Bleibeperspektive bieten. Sie nicht abzuschieben ist nötig und klug. Kinder und Jugendliche dürfen nicht länger für die oftmals schlechte Integration ihrer Eltern in Haftung genommen werden.
Morgenpost Online: Auch über die Vorgehensweise gegen Jugendkriminalität streiten SPD und Union. Welche Chancen sehen Sie für Forderungen nach einem „Warnschussarrest“, der neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden soll, und für die Erhöhung der Jugendhöchststrafe von zehn auf 15 Jahre?
Vahldieck: Es wird schwer sein, bei diesen Punkten einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ich halte den Warnschussarrest und eine Jugendhöchststrafe von 15 Jahren für sinnvoll. Außerdem sollte das Strafrecht für Erwachsene nicht ausnahmsweise, sondern grundsätzlich bereits auf 18- bis 21-jährige Straftäter angewendet werden.
Morgenpost Online: Einige Bundesländer zeigen gewalttätigen Jugendlichen bereits die „gelbe Karte“. Sie bekommen dann ein gelbes Schreiben der Führerscheinstelle. Sollte der Führerscheinentzug bundesweit als Strafe eingeführt werden?
Vahldieck: Ja. Der Führerscheinentzug ist häufig viel wirksamer als andere Strafen, weil er tatsächlich abschreckend wirken kann.
Morgenpost Online: Häufig spielt Alkohol bei den Gewalttaten eine Rolle. Ließe sich durch ein Alkoholverbot in öffentlichen Bussen und Bahnen die Sicherheit verbessern?
Vahldieck: Das wurde bisher immer im Zusammenhang mit Fußballspielen diskutiert. Ich bin für ein Alkoholverbot, weil der öffentliche Nahverkehr für die Menschen dadurch sicherer und attraktiver wird.
Morgenpost Online: Sind Sie in Zukunft für ein bundesligafreies Wochenende rund um den 1. Mai, weil die Polizei da schon zahlreiche Großeinsätze bewältigen muss?
Vahldieck: Die Deutsche Fußball Liga sollte den Interessen der Polizei entgegenkommen. Die Terminplanung etwa wegen Fernsehrechten als unveränderbar darzustellen scheint mir fragwürdig. Denn bei Eis und Schnee ist es ja auch möglich, Spieltage abzusagen.
Morgenpost Online: Beim letzten Castor-Transport im Wendland wurden 131 Beamte verletzt. Ist die Belastungsgrenze für die Polizei erreicht?
Vahldieck: Polizisten, die 30 Stunden am Stück unter schwierigsten Bedingungen ihren Dienst versehen, arbeiten sicher an ihrer Belastungsgrenze. Solche Spitzenbelastungen sind eine riesige Herausforderung, aber insgesamt ist die Polizei leistungsstark.
Morgenpost Online: Die Bundesländer mussten Polizisten nach Niedersachsen schicken, um den Castor-Transport zu schützen. Muss sich der Bund an den Kosten beteiligen, weil Atommüll Bundesaufgabe ist?
Vahldieck: Ich habe Verständnis für diesen Wunsch aus Niedersachsen. Der Bund wird bald deutliche Mehreinnahmen aus der Brennelementesteuer erzielen, und die Länder bleiben auf den Kosten sitzen. Das passt nicht zusammen.