Wer wird bestraft, wenn eine Zwangsheirat stattgefunden hat? Der Ehemann, die Eltern der Braut, die Schwiegereltern, die Brüder? Sofern die Umstände überhaupt publik werden, ist nach dem neuen Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat all dies möglich: sowohl eine Bestrafung des „Eheführers“ als auch des Familienkreises, der durch Drohung die Frauen zur Ehe genötigt hat. Das ist eines der Schwerpunkte des Gesetzesentwurfes, dem das Kabinett nun zugestimmt hat.
Vorgesehen ist, Anstifter von Zwangsverheiratungen mit bis zu fünf Jahren Haft zu bestrafen. Das war bisher schon möglich – allerdings nur als schwere Form der Nötigung. Nun kommt ein eigener Strafbestand, der vor allem ein abschreckendes Signal geben soll. „Damit treten wir der Fehlvorstellung entgegen, es handele sich um eine zumindest tolerable Tradition aus früheren Zeiten oder anderen Kulturen“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU).
Opfer erzwungener Ehen erhalten zusätzlich ein Rückkehrrecht nach Deutschland. Bisher erlosch dieses nach sechs Monaten, künftig soll es zehn Jahre gelten. „Wir geben uns nicht der Illusion hin, alle Fälle von Zwangsheirat juristisch erreichen zu können“, gestand Regierungssprecher Steffen Seibert ein und fügte hinzu: „Das neue Gesetz soll Frauen Mut machen, sich zu wehren.“
Es ist nicht bekannt, wie viele der rund 25.000 türkischen Frauen, die nach Schätzungen pro Jahr nach Deutschland kommen, um einen türkischen Mann zu heiraten, Opfer von Zwangsverheiratung sind. Umgekehrt werden muslimische, oft minderjährige Frauen in den Ferien aus Deutschland in das Land ihrer Väter geschickt, um dort gegen ihren Willen verheiratet zu werden. Sie sollen damit stärker auf die Normen aus dem Herkunftsland der Eltern verpflichtet werden.
Auch gegen Scheinehen, die nur geschlossen werden, um ein deutsches Aufenthaltsrecht zu bekommen, will die Regierung härter vorgehen. Der ausländische Ehepartner soll erst nach drei statt bisher zwei Jahren Ehe einen eigenen Aufenthaltstitel bekommen. Im Jahr 2000 hatte die rot-grüne Regierung die Frist von fünf auf zwei Jahre herabgesetzt.
Das Asylrecht soll hingegen gelockert werden, um geduldete Ausländer eine Arbeitsaufnahme oder einen Schulbesuch zu erleichtern. Bewerber sollen zudem mehr Bewegungsfreiheit erhalten. Bislang dürfen sie ihren Landkreis nicht verlassen.
Schließlich soll die Kontrolle von Integrationsverpflichtungen verbessert werden. Vor der Verlängerung einer Aufenthalterlaubnis muss künftig geprüft werden, ob der Antragsteller seiner Pflicht zum Besuch eines Integrationskurses nachgekommen ist. Ist dies nicht der Fall, kann die Erlaubnis entzogen werden. Eine solche Sanktion ist bereits heute möglich, eine Anwendung aber bislang nicht vorgekommen – zumindest wurde in keinem Bundesland eine solche bekannt.
Umgang mit Integrationsverweigerern
„Die geplanten Gesetzesänderungen zum Aufenthaltsrecht werden keine schärferen Sanktionen nach sich ziehen“, bestätigte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). „Der Gesetzesentwurf stellt lediglich klar, was heute schon im Aufenthaltsgesetz geregelt ist.“
Zudem sollen die Kursanbieter dazu verpflichtet werden, einen Abbruch der Ausländerbehörde zu melden. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erschien in den vergangenen zwei Jahren etwa jeder fünfte der zur Teilnahme verpflichteten Hartz-IV-Empfänger nicht zum Kurs, jeder zehnte brache ihn ab. Träger der Kurse wehren sich dagegen: „Es gibt so gut wie keine Abbrecher aus mangelndem Integrationsinteresse“, erklärten acht Bildungsträger in Bonn.
Dringenden Handlungsbedarf sehen sie an anderer Stelle: „Rund 10.000 Menschen, die hoch motiviert an den Kursen teilnehmen möchten, stehen seit Herbst auf Wartelisten, weil für ihre Kurse nicht genügend Geld zur Verfügung steht.“ Bis Jahresende könnte sich die Zahl auf 20.000 verdoppeln.