Naher Osten

"Solidaritätsflotte" als Provokation gegen Israel

| Lesedauer: 5 Minuten
Michael Borgstede

Foto: REUTERS

Die "Solidaritätsflotte" für die Palästinenser ist unterwegs. Den Organisatoren geht es dabei vor allem um Provokation.

Irgendwann am Wochenende sollten die acht Schiffe, die sich seit Mittwochmorgen schwer beladen durch das Mittelmeer wühlen, trotz der israelischen Blockade in den gerade ausgebauten Hafen von Gaza einfahren und zehntausend Tonnen Hilfsgüter löschen. Doch daraus wird nun wohl nichts.

In einer Sondersitzung beschlossen die sieben Minister des israelischen Sicherheitskabinetts, die so genannte „Friedensflotte“ auf offener See abzufangen. Sollten die Schiffe sich der Küste von Gaza nähern, werde die israelische Marine die Friedensflotte zwingen, den Hafen der israelischen Stadt Aschdod anzusteuern und die Besatzungen und Passagiere dem Innenministerium übergeben, kündigte die Armee am Donnerstag an.

Zur Unterbringung jener rund 800 Menschen aus den verschiedensten Ländern, die sich an Bord der Friedensflotte befinden, sei bereits ein Internierungslager in Planung. Dann werde das Innenministerium die Rückführung der Aktivisten in ihre Heimatländer veranlassen – darunter auch der schwedische Krimiautor Henning Mankell und die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Annette Groth.

Dabei hatte sich die israelische Regierung zuvor sogar um einen Kompromiss bemüht und den Organisatoren der Friedensflotte angeboten, die Ladung freiwillig in Aschdod zu löschen. Man werde die Hilfsgüter dann an die Vereinten Nationen übergeben, die sie auf dem Landweg nach Gaza bringen könnten. Zuvor wollten die Israelis nur prüfen, ob zwischen den Hilfsgütern möglicherweise auch Waffen versteckt seien. Die Organisatoren wollten von dem Angebot nichts wissen.

Dann bot die Familie des vor vier Jahren von der Hamas entführten Soldaten Gilad Schalit den Organisatoren an, sich bei der Regierung in Jerusalem dafür einzusetzen, die Friedensflotte nach Gaza zu lassen. Im Gegenzug wünschten sich die Schalits, die Passagiere der „Friedensflotte“ mögen sich bei der Hamas dafür einzusetzen, dass ihrem Sohn ein Paket mit Lebensmitteln und Briefen übergeben werden dürfe. Auch dieses Ansinnen wurde abgelehnt.

„Wir sind enttäuscht, dass die Organisatoren der Flotte sich weigern, auch unserem Sohn grundlegende humanitäre Hilfe zu gewähren, der seit vier Jahren widerrechtlich in Gaza festgehalten wird“, hieß es in einer Erklärung der Familie.

Der Rechtsanwalt der Schalits, Nick Kaufmann, fand deutlichere Worte: „Ich dachte, diese Bewegung unterstütze die Menschenrechte“, wunderte er sich. Stattdessen gelte ihre Unterstützung aber nur einer Terrorgruppe, die sich selbst überhaupt nicht für Menschenrechte interessiere. Die Reaktion habe deutlich gemacht, dass es den Organisatoren in Wahrheit nur um die Provokation gehe.

Es spricht einiges für diese Sichtweise. Die Kompromisslosigkeit der Aktivisten deutet darauf hin, dass es ihnen nicht in erster Linie darum geht, Medikamente und Baumaterialien, Schokolade, Rollstühle, eine Zahnarztpraxis und sogar eine Meerwasserentsalzungsanlage nach Gaza zu bringen.

Denn dass es im Gazastreifen aufgrund der israelischen Warenblockade an vielerlei mangelt, ist unbestritten. Andererseits haben auch die Israelis Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass sie allwöchentlich Tonnen von Medikamenten und Lebensmitteln in den Gazastreifen lassen und die Situation deshalb für die meisten Menschen in Gaza noch immer halbwegs erträglich ist.

Doch den 800 Aktivisten auf den Schiffen der Friedensflotte geht es wohl gar nicht um die berechtigte Diskussion darüber, ob die israelische Blockade des Gazastreifens die Hamas wirklich schwächt oder einfach nur kontraproduktiv ist. Viele von ihnen hängen einem Weltbild von geradezu verblendeter Eindimensionalität an.

Was denkt sich der griechische Professor Vangelis Pissias dabei, wenn er sagt: „Wir helfen den Palästinensern so wie die Griechen während des Zweiten Weltkrieges damals im Kampf gegen die Nazis geholfen haben.“ Gegen Juden habe er ja nichts, er habe sogar „ganz viele jüdische Freunde“.

Aber schließlich habe die ganze Welt ja die „schrecklichen Kriegsverbrechen“ der Israelis in Gaza während des Gazakriegs vor eineinhalb Jahren beobachtet. Solche Menschenrechtsverletzungen seien nicht hinnehmbar und er setze sich für die Achtung der Menschenrechte überall ein.

Doch so richtig konsequent ist er nicht: So kann sich Pissias dann doch nicht dazu durchringen, palästinensische Terroranschläge zu verdammen. „Diese Menschen tun nur, wozu die Umstände sie zwingen“, zitierte die israelische Zeitung Jedioth Achronoth den Professor.

Die Bindung der Organisatoren an die Hamas scheint beunruhigend eng zu sein. Bei der Abschiedsfeier eines der Schiffe in Istanbul sollen nach Informationen des israelischen „Intelligence & Terrorism Information Center“ zwei hochrangige Hamas-Mitglieder aus Großbritannien und ein jordanischer Führer der Muslimbruderschaft anwesend gewesen sein.

Dass die Hamas in Gaza gerade wieder angebliche Kollaborateure mit Israel hingerichtet hat, dass politische Gefangene in Hamas Gefängnissen gefoltert werden und es immer mal wieder – selbstverständlich völkerrechtswidrig - Raketen auf Israel regnet, wurde bei der Feier gewiss ebenso wenig thematisiert, wie das Schicksal Gilad Schalits. Für die Organisatoren der Friedensflotte anscheinend wohl doch nicht jeder Mensch dieselben Menschenrechte.

( dpa/cn )