Deutschland gilt in der Regel nicht als Land, in dem man sich vor terroristischen Anschlägen in Acht nehmen sollte. Erst recht nicht Berlin. Dennoch haben die USA nach den Aussagen des Deutsch-Afghanen Ahmad S. über Terrorpläne von al-Qaida einen Reisehinweis ausgegeben. Wer nach Europa reise, solle wachsam sein – vor allem bei Flügen, Bahnfahrten und in der U-Bahn. Von Reisen rät das US-Außenministerium allerdings nicht generell ab. Auch in London ist man besorgt: Das britische Außenministerium stufte die Terrorgefahr bei Reisen nach Deutschland und Frankreich als „hoch“ ein – statt wie zuvor als „allgemein“. Ein besonderes Augenmerk könnten die Islamisten auf Berlin haben, wo Medienberichten zufolge mehre Terrorziele ausgemacht worden seien. Die deutschen Sicherheitsbehörden geben sich bislang gelassen.
konkrete Anschlagsziele
Die Website der „News Of The World“ will erfahren haben, dass der 36 Jahre alte Ahmad S. bei seinen Vernehmungen konkrete Anschlagsziele genannt hat. Dazu zählen demnach der Eiffelturm sowie die Kathedrale von Notre Dame in Paris sowie in Berlin das Hotel „Adlon“ am Brandenburger Tor, der Hauptbahnhof und der Fernsehturm. Das „Adlon“ könnte ein Ziel sein, weil die Terroristen ähnlich wie in Bombay vorgehen wollten, wo Extremisten ein Luxushotel besetzt hatten. Der amerikanische Sender ABC News berichtete unter Hinweis auf ungenannte Quellen, das US-Außenministerium habe große Sorge, dass die Islamisten bereits ihre Vorarbeiten für die Anschläge abgeschlossen hätten. Demnach sollen sie von al-Qaida die Freigabe für Anschläge bekommen haben und bereit zum Zuschlagen sein.
Die deutschen Sicherheitsbehörden äußern sich zu den Vermutungen dagegen mit äußerster Zurückhaltung. Im gemeinsamen Lagezentrum von Polizei und Geheimdiensten in Berlin-Treptow kennt man die Einschätzung der US-Behörden. „Uns sind die möglichen Anschlagsziele in Berlin und anderen Orten in Deutschland natürlich bekannt, und wir haben sie stetig im Auge“, sagte ein Verfassungsschützer gestern der Morgenpost. Aber grundsätzlich gelte, es bestehe eine latente Anschlagsgefahr, die stetige Wachsamkeit erfordere. Hinweise auf ein konkretes Risiko gebe es nicht, so der Beamte.
Dabei beobachten die Behörden in Berlin auch weitere Ziele. Laut Verfassungsschutzkreisen seien prinzipiell alle „weichen“ Ziele, an denen sich ständig größere Menschenmassen aufhalten, gefährdet. Dazu zählten Einkaufszentren wie das Europa-Center oder das Alexa ebenso wie Touristenattraktionen oder U-Bahnhöfe. Auch Sportarenen wie das Olympiastadion, die O2World, die Max-Schmeling-Halle stehen auf der Liste der Behörden, ebenso die Flughäfen Tegel und Schönefeld. Komplettiert wird die Liste von den immer unter besonderer Bewachung stehenden amerikanischen und israelischen Institutionen, einschließlich der jüdischen Einrichtungen in der Stadt.
Panik vermeiden
Als Begründung für die Zurückhaltung der Behörden sagte der Verfassungsschützer: „Wir wollen weder Panik schüren noch Gefahren oder Risiken verharmlosen.“ Auch das Bundesinnenministerium reagiert in dem Zusammenhang betont gelassen. Derzeit gebe es keinen Anlass für eine Veränderung der Gefährdungsbewertung, sagte am Sonntag ein Sprecher. Der Reisehinweis der US-Regierung sei „vor dem Hintergrund der bereits in der vergangenen Woche in den Medien bekannt gewordenen Gefährdungshinweise zu betrachten“. Deutsche Sicherheitsbehörden gingen „allen vorliegenden Hinweisen mit der höchster Intensität nach und überprüfen ständig die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen“.
Nordkorea, Mexiko, Afghanistan, der Jemen und Israel gehören zu jenen 31 Ländern, von deren Besuch das US-Außenministerium derzeit ausdrücklich abrät. Deutschland, Frankreich und Großbritannien stehen nicht in dieser Liste konkreter „Reisewarnungen“ (Travel Warning). Am Sonntag aber wurden Reisende generell nach Europa zu erhöhter Wachsamkeit (Travel Alert) aufgerufen. Begründet wird dieser Schritt mit „aktuellen Informationen, die darauf hindeuten, dass al-Qaida und verbündete Organisationen weiterhin Pläne für terroristische Attacken verfolgen“. Einige europäische Regierungen hätten „öffentlich über die erhöhte Bedrohungslage gesprochen“, heißt es beim US-Außenministerium. Besondere Sorge herrscht auch in London: Das britische Außenministerium verschärfte seine Hinweise für Reisen nach Deutschland und Frankreich.
Vergangene Woche war berichtet worden, der aus Hamburg stammende Al-Qaida-Kämpfer Ahmad S. habe in Verhören entsprechende Pläne offenbart. Der 36-jährige Deutschafghane, der im Juli in Kabul verhaftet wurde, soll dabei sogar sehr konkrete Terrorziele benannt haben. Das behauptet zumindest die britische Sonntagszeitung „News of the World“.
Festnahme in Neapel
Dem Boulevardblatt zufolge hat S., der im März 2009 mit einem Dutzend weiterer Extremisten nach Pakistan reiste, den Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, den Hauptbahnhof nahe dem Kanzleramt und das Fünfsternehotel „Adlon“ aufgelistet. Zudem habe er die Kathedrale Notre Dame und den Eiffelturm in Paris genannt. Geplant gewesen sei ein Massaker im Stil des Terrorschlags auf das indische Mumbai mit 166 zivilen Toten. Wie „News of the World“ weiter berichtet, wurde der 26-jährige Prinz Henry, Nummer drei der Thronfolger im Vereinigten Königreich, von britischen Geheimdiensten als ein Hauptziel von Terroristen eingestuft.
Im Travel Alert der US-Regierung werden keine Landesnamen genannt. Europa-Reisende werden allgemein daran erinnert, dass Terroristen „eine Bandbreite an Mitteln und Waffen benutzen und sowohl behördliche wie private Ziele auswählen können“. Züge, U-Bahnen, Flug- und Seehäfen sowie touristische Einrichtungen werden genannt. „US-Bürger sollten alle Vorsorgemaßnahmen ergreifen, ihre Umgebung bewusst wahrnehmen und zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen, um sich während der Reise zu schützen“, heißt es. Unklar ist, ob die Warnung im Zusammenhang steht mit der Festnahme eines Terrorverdächtigen algerischer Abstammung in Neapel. Bei dem Mann, gegen den laut Nachrichtenagentur Ansa ein Haftbefehl in Frankreich besteht, soll Material zum Bombenbau gefunden worden sein.