In den Staaten der Europäischen Union nimmt das antisemitische Denken zu. Das ergibt eine neue Überblicksstudie der EU-Agentur für Grundrechte. Seit 2007 waren die Übergriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in Europa zurückgegangen. Dieser Trend droht sich nun jedoch umzukehren.
Vor Beginn des Gazakrieges im vergangenen Januar war in den meisten Staaten der Europäischen Union noch ein Rückgang der antisemitisch motivierten Straftaten zu verzeichnen gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Überblicksstudie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien, die am Montag veröffentlicht wird. Grundsätzlich ist in den EU-Staaten aber eine Zunahme antisemitischen Denkens festzustellen.
Übergriffe auf in Europa lebende Juden und jüdische Einrichtungen hatten in den Jahren 2002 bis 2004, teilweise auch während des Libanonkriegs 2006 zugenommen, belegen der Daten der zuständigen staatlichen Behörden. Eine Zunahme war unter anderem in Frankreich, Dänemark, Deutschland, Schweden und Großbritannien zu verzeichnen. Seit 2007 hatte sich dieser Trend indessen umgekehrt. So waren zum Beispiel in Dänemark antisemitische Straftaten auf ein Viertel im Vergleich zu 2006 gesunken.
Wurden in Frankreich 2006 noch 1662 Straftaten gezählt, waren es 2007 insgesamt 1561. In den Niederlanden hatte sich die Zahl halbiert. „Antisemitische Straftaten werden tendenziell von Einzelnen begangen“, so Ioannis Dimitrakopoulos, Autor des FRA-Berichts. „Dass beispielsweise jüdische und muslimische Vertreter diese dann gemeinsam verurteilen, wirkt sich positiv aus.“
Auch wenn verlässliches statistisches Material noch nicht vorliegt, so zeigen erste Studien, dass sich der Positivtrend durch das Kriegsgeschehen im Gazastreifen allerdings umzukehren droht. Eine zu Beginn des Jahres 2009 durchgeführte Telefonumfrage des Instituts TNS in sieben EU-Staaten zeigt, dass sich antisemitische Stereotypen nicht nur halten, sondern teilweise sogar zunehmen. So stieg in Ungarn, Spanien und Polen die Zahl derjenigen merklich, die meinen, „dass die Juden zu viel Macht in der Geschäftswelt haben“. Auch gelte ihre Loyalität eher Israel als dem Land, in dem sie leben.
Bei der Frage, ob Gewalt gegen Juden in Europa eher anti-israelisch oder antisemitisch motiviert sei, sagte die klare Mehrheit der Befragten aus, dass im Hass auf Juden der Grund zu suchen sei. Dies deutet darauf hin, dass zwar äußere Anlässe wie der Gazakrieg die Zahl der Übergriffe anwachsen lässt; dass dahinter aber grundsätzlich Antisemitismus zu vermuten ist.
Dass sich diese Haltung – die sich indes nicht unbedingt in der Zahl der Straftaten reflektiert – in Europa festsetzt und auch verstärkt, belegt ebenfalls eine zwischen 2005 und 2008 durchgeführte Langzeitstudie des Umfrageinstituts Pew.