Wegen Sicherheitsbedenken ist eine geplante Lesung mit dem umstrittenen Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) in Hildesheim abgesagt worden. Der Politiker, der wegen seiner Thesen zur mangelnden Integrationsbereitschaft von Ausländern im Kreuzfeuer der Kritik steht, wollte dort eigentlich die Lesereise zu seinem neuen Buch beginnen.
Michael Jens, Geschäftsführer der Buchhandlung Decius, die Sarrazin zu der Lesung eingeladen hatte, begründete die Absage am Dienstag mit Sicherheitsbedenken. Jens befürchtet Proteste am Rande der Veranstaltung.
Das Hildesheimer "Bündnis gegen Rechts“ hatte zuvor angekündigt, gegen die erste öffentliche Lesung von Sarrazin aus seinem umstrittenen Buch "Deutschland schafft sich ab“ demonstrieren zu wollen. Unter dem Motto „Kein Forum für Antisemitismus, Rassismus und populistische Hetze“ war eine Kundgebung am Abend geplant.
Die Hildesheimer Buchhandlung Decius hatte nach eigenen Angaben rund 200 Gäste zu der Lesung Sarrazins erwartet. Schon im Vorfeld habe es jedoch E-Mails empörter Kunden gegeben, die drohten, dort wegen der Lesung nicht mehr einzukaufen, hieß es von der Geschäftsführung.
Sarrazin steht wegen seiner umstrittenen Thesen zur Integration von Ausländern seit Tagen in der Kritik. In seinem Buch warnt der Sozialdemokrat und frühere Berliner Finanzsenator davor, dass die Deutschen zu "Fremden im eigenen Land“ würden. Zudem hatte er Thesen über die Vererbung von Intelligenz aufgestellt und in einem Interview mit Morgenpost Online von Genen bei Juden gesprochen.
Die SPD-Führung leitete am Montag ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein. Auch die Bundesbank verschärfte den Druck auf ihr Vorstandsmitglied. Die Bundesbank zitierte am Dienstag ihr Vorstandsmitglied zu einem Gespräch nach Frankfurt. Über das Ergebnis der Anhörung werde er anschließend mit dem Bundesbankvorstand beraten, sagte der Ethik-Beauftragte der Notenbank, der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe H. Schneider.
Bundesbank hört Sarrazin an
Die Bundesbank hatte sich am Montag von Sarrazin distanziert und angekündigt, unverzüglich ein Gespräch mit dem früheren Berliner SPD-Finanzsenator zu führen. Das Treffen sollte noch an diesem Dienstag stattfinden. Über das Ergebnis will der Ethik-Beauftragte der Notenbank anschließend mit dem Bundesbankvorstand beraten. Das sagte der Beauftragte - der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe H. Schneider - in Frankfurt.
Der Beauftragte für Corporate Governance prüft, ob Vorstände gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank verstoßen. Sollte er einen Verstoß feststellen, könnte der Notenbankvorstand mehrheitlich einen Antrag auf Abberufung beschließen. Ein solcher Schritt wäre in der Geschichte der Notenbank einmalig. Dem Gremium gehören neben Notenbank-Präsident Axel Weber und Sarrazin vier weitere Vorstände an. Über den Antrag müsste Bundespräsident Christian Wulff entscheiden, die Regierung müsste die Entlassungsurkunde gegenzeichnen.
Zuletzt war von vielen Seiten Sarrazins Entlassung gefordert worden. So sagte die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) den "Ruhr Nachrichten“, sie halte Sarrazin für „nicht mehr tragbar“.
Grünen-Chef Cem Özdemir warf Sarrazin zudem vor, Integrationsprobleme zu verschärfen. "Die Thesen, die Herr Sarrazin vertritt, sind außerhalb des demokratischen Bogens“, sagte Özdemir in der ARD. Wenn jemand Genforschung mit jüdischen und baskischen Genen betreibe und Volksgruppen nach bestimmten Äußerlichkeiten zuordne, verabschiede er sich vom seriösen Diskurs. "Es geht ihm nicht um die Probleme, es geht ihm offensichtlich darum, Probleme zu verschärfen.“