Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber muss im Falle einer Verurteilung mit einer langen Haftstrafe rechnen. Es könnten bis zu 15 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verhängt werden, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz in Augsburg erklärte.
Die Ankläger werfen Schreiber Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechung vor. Der Prozess werde auf keinen Fall noch vor der Bundestagswahl am 27. September beginnen und voraussichtlich Monate dauern, sagte Nemetz. Er wollte wie der Präsident des Landgerichts Augsburg, Herbert Veh, keinen konkreten Termin für den Prozessbeginn nennen.
Gesundheitlichen Bedenken gegen eine Untersuchungshaft von Schreiber gebe es nicht, erklärte der Staatsanwalt. Schreiber sei auf dem Flug von Kanada nach München von einem kanadischen Arzt begleitet und bei seiner Ankunft von einem deutschen Arzt empfangen worden.
Er sei dann von vier Beamten des Bundeskriminalamtes in die Justizvollzugsanstalt Augsburg gebracht worden. Für die Strafverfolger sei es „ein befriedigendes Gefühl“, dass die zum Teil nervenaufreibenden Verhandlungen mit den kanadischen Behörden nun doch zu einer Auslieferung Schreibers geführt hätten, sagte Nemetz.
Schreiber werden Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Untreue und Beihilfe zum Betrug vorgeworfen. Nach Nemetz Auffassung sind die Chancen auf eine strafmildernde und den Prozess verkürzende Absprache gering: In Anbetracht von Äußerungen Schreibers könne er sich dies nicht vorstellen, sagte Nemetz.
Schreiber hatte unmittelbar vor seiner Abschiebung aus Kanada zahlreiche TV-Interviews gegeben, in denen er die Vorwürfe gegen ihn zurückwies. Für die Absprache müsste Schreiber laut Nemetz aber ein Geständnis auf der Grundlage der von der Staatsanwaltschaft formulierten Anklage ablegen.
Laut Gerichtspräsident Veh wird das Landgericht Schreiber am Dienstag anhören und dann über die Haftfrage entscheiden. Auch die weiteren Termine würden davon abhängen, wie sich Schreiber äußere.
Keine Unterstützung kann der Waffenlobbyist von der Bundeskanzlerin erwarten. Angela Merkel (CDU) werde sich nicht für Schreiber einsetzen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater.
Seinen Angaben zufolge hat sich Schreiber habe mit einem Hilfsersuchen an die Kanzlerin gewandt. Da der Brief zu spät gekommen sei, sei für Merkel keine Zeit zu einer unmittelbaren Reaktion vor der Abschiebung gewesen.
Aber selbst wenn es diese Zeit gegeben hätte, „hätte sie es auch nicht getan“, betonte Vater. Zu Einzelheiten des Schreibens oder der von Schreiber gewünschten Einflussnahme wollte er nichts sagen.
Für die schnelle Auslieferung Schreibers hatte sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries noch in der vergangenen Woche bei der kanadischen Regierung stark gemacht, wie ein Sprecher des Ministeriums bestätigte. Die Annahme, dies sei parteipolitisch motiviert, sei aber „völlig aus der Luft gegriffen“.
Auch SPD-Chef Franz Müntefering betonte, man werde den Fall nicht für den Bundestagswahlkampf zu nutzen versuchen. „Wir müssen da gar nichts machen. Stinken tut es woanders. Wir müssen nur sehen, dass die Leute merken, woher der Duft kommt.“ Die Sozialdemokraten hätten nichts zu verbergen, sagte Müntefering weiter. „Schreiber wird uns nicht verfolgen, eher die CSU“. Die private Kegelbahn des heute 75-Jährigen sei Treffpunkt von Unionsgrößen gewesen.
Der 75-jährige Schreiber gilt als eine Schlüsselfigur im CDU- Spendenskandal um den ehemaligen Bundeskanzler und Parteivorsitzenden Helmut Kohl. Schreiber hatte sich bei seiner Auslieferung in Kanada in Interviews selbst als „ungewollten Wahlhelfer der SPD“ bezeichnet.
CSU-Chef Horst Seehofer wies aber Befürchtungen, die Auslieferung Schreibers könne negative Auswirkungen auf den Bundestagswahlkampf der Union haben, umgehend zurück. Er sehe das „gelassen“, sagte der bayerische Ministerpräsident.
Dagegen erwartet der ehemalige Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD), von Schreiber neue Details in der CDU-Spendenaffäre. „Schreiber ist einer, der immer etwas in der Rückhand hat“, sagte Neumann.
Falls es zu einem Verfahren gegen Schreiber komme, „könnten auch die eine oder andere Partei und die eine oder andere Person Schaden nehmen“, fügte er hinzu. Vor allem auf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde sich die Debatte zuspitzen, prognostizierte Neumann: „Die 100.000-DM-Spende an ihn ist der brisanteste Fall.“
Auch der FDP-Innenexperte und ehemalige Obmann im Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre, Max Stadler, bezeichnete es als „bestimmt nicht angenehm“ für CDU und CSU, dass durch die Auslieferung des langjährigen CSU-Mitglieds Schreiber die Erinnerung an die damalige Spendenaffäre wachgerufen werde. Allerdings seien die Akteure der Affäre heute – mit Ausnahme von Schäuble – weitgehend nicht mehr in der Politik oder Partei aktiv. Deshalb geht Stadler nicht davon aus, dass der Fall Schreiber den Bundestagswahlkampf nachdrücklich beeinflussen wird.