Gewerkschaften und Sozialverbände bewerten den Vorstoß der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Hannelore Kraft zur Schaffung gemeinnütziger Jobs für Hartz-IV-Empfänger skeptisch.
Die Idee, Langzeitarbeitslose für Tätigkeiten etwa in Altenheimen oder Sportvereinen einzusetzen, sei „missverständlich“, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, der „Frankfurter Rundschau". Es gebe bereits heute eine beachtliche Zahl von gemeinnützigen Jobs in Kommunen oder bei Wohlfahrtsverbänden.
„Das ist nicht unbegrenzt auszudehnen, weil einerseits Arbeitsplätze des regulären Arbeitsmarktes nicht gefährdet werden sollen und weil diese gemeinnützige Arbeit nicht zum Nulltarif zu haben ist.“ Auch vom DGB und dem Erwerbslosen-Forum Deutschland kam Kritik.
Kraft, die Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahlen am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen ist, hatte dem „Spiegel“ mit Blick auf Langzeitarbeitslose gesagt: „Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten.“
Dafür sollten sie einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen. Auf diese Weise entstünden dem Staat so gut wie keine Mehrkosten. „Wir müssen endlich ehrlich sein. Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden“, sagte Kraft. Deshalb müsse rasch „ein Gemeinwohl-orientierter Arbeitsmarkt“ aufgebaut werden.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles betonte, dass es sich um ein „freiwilliges Angebot“ handeln müsse. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte von Kraft, ihre Aussagen klarzustellen. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung", unbezahlte gemeinnützige Arbeit sei „kein Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit“. Nötig sei ein staatlich geförderter zweiter Arbeitsmarkt mit angemessener Bezahlung.
Natürlich gebe es Langzeitarbeitslose, die zum Beispiel aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln seien, sagte Buntenbach. Von unbezahlten Tätigkeiten und Ein-Euro-Jobs gehe aber die Gefahr aus, dass sie reguläre Arbeitsplätze ersetzten und damit vernichten. „Deshalb muss Hannelore Kraft klarstellen, wohin die Reise gehen soll“, forderte Buntenbach.
VdK-Präsidentin Mascher betonte, „nicht jeder Bereich sozialer Arbeit“ sei für Langzeitarbeitslose geeignet. „Pflegeheime sind es ganz sicher nicht. Schwer- und schwerstpflegebedürftige Menschen brauchen Pflegekräfte mit hohem fachlichen und persönlichen Qualifikationen“, sagte die VdK-Chefin.
Das Erwerbslosen Forum Deutschland erteilte Krafts Vorschlägen, eine Absage. Erwerbslose hätten nichts der Gesellschaft wieder zu geben. „Da wären zu allererst andere dran“, sagte Sprecher Martin Behrsing. Er kritisierte, dass Kraft ihre Forderung „mit den Begriffen Würde und Perspektive verpackt“. Es sei besonders die SPD gewesen, die die „Perspektivlosigkeit Hartz IV-Bezieher erst ermöglicht hat“.
Mit ihrem Hartz-IV-Vorschläge grenzt sich Kraft deutlich von denen der FDP ab. FDP-Chef Guido Westerwelle setze auf Arbeitszwang, sie dagegen wolle Arbeitswilligen eine Perspektive schaffen, betonte Kraft am Montagmorgen im WDR.
„Ich möchte Hartz-IV-Empfängern ... die Chance geben, dauerhaft in Arbeit zu kommen“, sagte Kraft. Es gehe ihr um schwer vermittelbare Hartz-Empfänger, die zum Beispiel einen 1-Euro-Job machen, den aber nach einem Jahr wieder aufgeben müssen. Für sie solle ein Arbeitsmarkt auf kommunaler Ebene geschaffen werden. „Denn diese Menschen wollen arbeiten“, unterstrich die SPD-Politikerin.
Sie wolle nicht, dass sich jemand „aufgibt“, betonte Kraft, aber realistisch betrachtet hätten viele Hartz-IV-Empfänger keine Chance mehr, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukommen. Viele, die bald 60 Jahre alt seien oder krank, wüssten, dass sie keine Perspektiven mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Um diese Menschen gehe es ihr. „Ich möchte auf niemanden Zwang ausüben, ich möchte aber, dass sie die Chance haben, zu zeigen, was sie leisten wollen und leisten können“, stellte Kraft klar.