Erstaunlich, wie die SPD-Wahlkämpferin Hannelore Kraft die Sozialstaatsdebatte zu bereichern versucht. Wenn nun die NRW-Spitzenkandidatin sich und ihrer Partei eingesteht, dass rund ein Viertel der Langzeitarbeitslosen gar nicht mehr arbeitsfähig und damit nicht mehr geeignet ist, bezahlbare Stellen zu bekommen, dann mutet sie nicht nur vielen Parteifreunden einiges zu. Dass sie dann auch noch fordert, diese Menschen mit gemeinnütziger Arbeit zu beschäftigen, bedeutet: Sie nähert sich durchaus den Positionen der SPD-Lieblingsfeinde Guido Westerwelle und Roland Koch an.
Beide verlangen in der Konsequenz das Gleiche, allerdings argumentieren sie anders als Kraft. Westerwelle und Koch nehmen die Schwachen in die Pflicht, doch endlich für das, was ihnen die Leistungsträger im Land bereitstellen, auch Anstrengung zu zeigen. Krafts Vorstoß hat hingegen einen sozialpädagogischen Antrieb: Sie will die Inaktiven um ihrer selbst willen aktivieren. Sie hält es für sozial geboten, diese immerhin fast 400.000 Menschen nicht ausschließlich zu alimentieren, also mit Hartz IV oder Sozialhilfe ruhigzustellen.
Noch kann man sich nicht vorstellen, dass die SPD an einer ernsthaften Sozialstaatsdebatte interessiert ist, die Gerechtigkeit nicht nur als Verteilungskampf zwischen den angeblich Starken und den vermeintlich Schwachen versteht. Wer diesen Weg ernsthaft gehen will, darf nicht vergessen: Langzeitarbeitslose kann man nicht einfach zum Vorlesen ins Altersheim beordern. Die unrühmliche Historie deutscher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hat gezeigt, dass sie nicht ohne Weiteres aktivierbar sind. Viele von ihnen scheitern bereits daran, pünktlich zur Arbeit zu kommen.
Aber diese Menschen sind wirkliche Sozialfälle und müssen betreut werden. Und das kostet Milliarden. Wer dies akzeptiert und doch keinen Ausbau des Sozialstaates will, der muss an anderer Stelle sparen. Der muss endlich mit dem Umbau anfangen. Ob Frau Kraft aber diese Kraft hat?