Großbritannien

Vetternwirtschaft – Politiker veruntreuen Gelder

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In Großbritannien haben mehrere Politiker im großen Stil Staatsgelder missbraucht. Sie nutzten Steuergelder, um Angehörige zu bezahlen, unberechtigte Zuschüsse für Privatwohnungen in Anspruch zu nehmen und über Spesenabrechnungen sogar ein Entenhäuschen erstattet zu bekommen.

Im Zuge der Enthüllungsserie über den massiven Spesenmissbrauch durch Abgeordnete wächst in der Bevölkerung Großbritanniens der Unmut.


In einer am Wochenende im "Guardian" veröffentlichten Umfrage sprachen sich zwei Drittel der Befragten dafür aus, noch in diesem Jahr ein neues Parlament zu wählen. Führende Kirchenvertreter warnten die Bevölkerung davor, sich aus Enttäuschung radikalen Parteien zuzuwenden.


Die Erzbischöfe von Canterbury und York, Rowan Williams und John Sentamu, riefen die Briten am Sonntag auf, bei den Europa- und Kommunalwahlen Anfang Juni ihre Stimme nicht aus Frustration für radikale Politiker abzugeben. "Das ist nicht der Zeitpunkt, für irgendeine Partei zu stimmen, deren Kernideologie darin besteht, in unseren Gemeinschaften Zwietracht und Feindseligkeiten wegen Rasse, Glauben oder Farbe zu säen", erklärten die beiden Geistlichen.


Zugleich warnten sie die Bevölkerung davor, den Urnen aus Enttäuschung über das Gebaren der Politiker fernzubleiben. Die beiden Geistlichen zeigten jedoch auch Verständnis für "Wut und Desillusionierung" angesichts der Enthüllungen.

Spesenmissbrauch durch Abgeordnete aller Parteien

Die täglich neuen Berichte des "Daily Telegraph" über den Spesenmissbrauch durch Abgeordnete aller Parteien setzen die britische Regierung und die etablierten Parteien jedoch zunehmend unter Druck. Laut Umfragen spricht sich die Mehrheit der Briten nicht nur für rasche Neuwahlen aus, die Wähler wenden sich offenbar auch von den großen Parteien ab. In einer vom „Independent“ am Wochenende veröffentlichten Umfrage gaben 80 Prozent der Befragten an, unabhängige Kandidaten sollten gegen die vom Spesenskandal betroffenen Politiker antreten.


Die "Sunday Times" berichtete unter Berufung auf eine Untersuchung der Plymouth University, bis zur kommenden Parlamentswahl werde mindestens die Hälfte der derzeitigen Abgeordneten durch Rückzug, Rücktritt oder Wahlniederlage ihren Sitz verlieren. Premierminister Gordon Brown muss bis Juni 2010 Wahlen ausrufen, am Mittwoch hatte er die Forderungen nach vorgezogenen Neuwahlen entschieden zurückgewiesen.


In seiner Sonntagsausgabe nahm der "Telegraph" nun Abgeordnete aufs Korn, die neben Zuschüssen für ihren Hauptwohnsitz auch Geld für einen Zweitwohnsitz beanspruchten, weil dort angeblich ein Familienmitglied für sie arbeite. So habe etwa der unabhängige Abgeordnete Derek Conway nach eigenen Angaben seine Frau beschäftigt und deswegen staatliche Zuschüsse für einen Wohnsitz in Northumberland beansprucht. Laut „Sunday Telegraph“ gab Conway an, dort parlamentarische Arbeit zu verrichten, obgleich das Haus 530 Kilometer von seinem Wahlkreis in London entfernt ist.


Erstmals äußerte sich auch der Mittelsmann öffentlich zu Wort, der dem "Daily Telegraph" die Informationen über die fragwürdigen Spesenabrechnungen der Abgeordneten überbracht hatte. "Ich bin stolz, meinen Part in der Angelegenheit gespielt zu haben, die der 'Telegraph' zurecht als 'eine sehr britische Revolution' beschreibt", sagte John Wick, ein früherer Offizier einer britischen Spezialeinheit, dem Blatt. Er ist nicht die eigentliche, noch immer anonyme Quelle, sondern nur der Überbringer der Dateien. Die Zeitung berichtet seit mehr als zwei Wochen über die dreisten und kuriosen Spesenabrechnungen der Unterhausabgeordneten.

Staat sollte Luxus-Entenhaus bezahlen

Sir Peter Viggers verlor seinen Job als britischer Abgeordneter – wegen eines Entenhäuschens, dass seine gefiederten Freunde nicht einmal angenommen hatten.


Das konservative Mitglied des Unterhauses hatte die Kosten für die luxuriöse Unterbringung in seinem Gartenteich bei der Spesenbehörde eingereicht. Diese verweigerte jedoch die Bezahlung der 1600 Pfund (1800 Euro) teuren Anlage. Als sein Ansinnen bekannt wurde, musste Viggers auf Druck von Parteichef David Cameron seinen Hut nehmen.


Am Samstag zeigte sich der Abgeordnete, der seit 1974 für das südenglische Gosport im Parlament saß, reuig. Er schäme sich für sein Verhalten und entschuldige sich dafür.


Er hätte die Rechnung niemals einreichen dürfen, erklärte er und fügte hinzu, das Häuschen sei "von den Enten nie gemocht worden und ist nun eingelagert".

( AFP/fsl )