Unmittelbar vor dem Treffen der Koalitionsspitzen am Mittwochabend im Kanzleramt attackierte Kanzlerin Angela Merkel ihren Vize Guido Westerwelle. Die CDU-Vorsitzende wirft dem FDP-Chef vor, mit seinen umstrittenen Äußerungen zu Hartz IV eine Debatte über die Reform des Sozialstaats unnötig erschwert zu haben.
Mit der Konzentration auf Inhalte wollen die drei Parteivorsitzenden der schwarz-gelben Koalition Ruhe in ihr zerstrittenes Bündnis bringen. „Das Gespräch war sehr konstruktiv, sachlich und ruhig“, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle nach einem dreistündigen Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer am Mittwochabend der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Von der Energie- bis zur Sozialpolitik wurde ein kompletter Themenkreis angesprochen. Man sieht sich wieder im März.“ Ähnliche Angaben wurden in Koalitionskreisen gemacht. Es sei auch über die Gesundheitspolitik und die Lage des Euro gesprochen worden. Der nächste „Dreier-Gipfel“ werde in rund fünf Wochen sein, hieß es.
Unmittelbar vor dem Gespräch im Kanzleramt war es zu einem erneuten Schlagabtausch gekommen. Merkel wies FDP-Chef Guido Westerwelle via Zeitung in die Schranken. Der Außenminister habe seine Kritik so formuliert, als bräche er ein Tabu, sagte die Bundeskanzlerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Donnerstag. Westerwelle habe dabei aber inhaltlich nur Selbstverständliches ausgesprochen.
Für alle Mitglieder der Bundesregierung ist es selbstverständlich, dass jemand, der arbeitet, mehr bekommen muss, als jemand, der nicht arbeitet“, sagte die Kanzlerin. „Dazu herrscht große Übereinstimmung, bis in die Oppositionsparteien hinein. Selbstverständliches sollte selbstverständlich bleiben, damit man in der Sache zu guten Ergebnissen kommen kann“, sagte Merkel.
Bestimmte Formulierungen wie etwa „Man muss noch sagen dürfen“, ließen den Eindruck entstehen, es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich sei. „Das trifft ja gerade bei der Umsetzung des Hartz-IV-Urteils und beim sogenannten Lohnabstandsgebot nicht zu“, sagte Merkel.
Änderungen an den Hartz-IV-Regelungen solle es gleichwohl geben, etwa bei den Zuverdienstmöglichkeiten. Damit sollten die Anreize, auch mehr als 100 Euro hinzuzuverdienen, verbessert werden. Die schwarz-gelbe Koalition sei sich einig darin, „dass die Anreize für Hartz-IV-Empfänger zur Aufnahme einer Beschäftigung noch verbessert werden können“, sagte die Bundeskanzlerin. „Wir werden das in einer kompakten Gesetzesinitiative ändern.“
Weitere Änderungen beträfen die Neuordnung der Jobcenter, die Neuregelung der Regelsätze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sowie „die gemeinsam beschlossene Änderung der Erhöhung des Schonvermögens“, fügte Merkel hinzu. Einsparmöglichkeiten gebe es bei Hartz IV nicht. Die Regelsätze müssten mindestens so bleiben, wie sie bisher seien.
Die Spitzen von Schwarz-Gelb im Bund, Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer, wollen sich heute Abend, gut zwei Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, im Kanzleramt zu einem Dreiergipfel treffen. Dabei soll über das Klima in der Koalition und anstehende Vorhaben beraten werden. Beschlüsse werden nicht erwartet.
Reuters/dpa/AFP/gr/omi