Während Bremens Politiker noch darüber nachdenken, finanziert Flensburg schon seit dem vergangenen Jahr Hartz-IV-Empfängern die Verhütungsmittel. Das Projekt hat Erfolg: 110 Männern und Frauen konnte bisher geholfen werden. Jetzt wird im Zuge der Hartz-IV-Debatte auf eine Ausweitung gehofft.
Die Pille und die Spirale kommen vom Amt, das Kondom aber nicht: Seit fast einem Jahr bezahlt Flensburg Verhütungsmittel für Hartz-IV-Empfänger. Das zunächst auf drei Jahre angelegte Projekt war im April 2009 gestartet, nun liegen erste Zahlen vor.
Im Jahr 2009 hat die Fördestadt an der dänischen Grenze dafür 22.000 Euro ausgegeben. Sie ist damit eine von wenigen Kommunen bundesweit, die diese Kosten übernehmen. Bis Ende Dezember 2009 wurden 130 Anträge bewilligt und 110 Männern und Frauen geholfen, die zum Teil mehrere Anträge gestellt hatten. "Die große Nachfrage zeigt, dass auf jeden Fall den Richtigen die gute Hilfe zu teil werden konnte", sagt Sozialleiter Horst Bendixen.
Die Hilfe richte sich vor allem an Familien, in der keine (weiteren) Kinder gewünscht werden, sagt Bendixen. Die Anträge laufen über die Beratungsorganisation Pro Familia.
"Viele Bedürftige empfinden es als unangenehm, dafür ins Rathaus zu kommen. Deshalb wird der gesamte Prozess von Pro Familia abgewickelt. Wir sind lediglich der Geldgeber", stellt Stadtsprecher Thomas Hansen klar.
Einen Antrag stellen können nicht nur Hartz-IV-Bezieher, sondern auch Sozialhilfeempfänger und junge Menschen, die Bafög oder Berufsausbildungsbeihilfe erhalten. Allerdings muss der Antragsteller nachweisen, dass die Kosten nicht von andern Kostenträgern wie Krankenkassen übernommen werden.
Pro Familia betrachtet das Projekt als außerordentlich gelungen. "Das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung, also der Zugang zu sicheren Verhütungsmethoden, muss allen Menschen offen stehen. Jetzt haben wir wirklich eine Möglichkeit zur Hilfe", bilanziert die Leiterin der Flensburger Pro Familia-Beratungsstelle, Simone Hartig.
Die meisten Antragsteller sind zwischen 24 und 28 Jahre alt – und weiblich. Insgesamt wurden lediglich für fünf Männer Sterilisationen bezahlt. Neun Frauen ließen sich sterilisieren. "Meist kommen sie für Sechsmonats-Packungen der Pille", erzählt Hartig.
Bereits einige Kommunen haben Projekte zur Kostenübernahme ins Leben gerufen, Flensburg habe allerdings Vorbildcharakter. "Wir haben Anfragen aus ganz Deutschland", betont Hartig. Eine bundesweite Befragung von Pro Familia hatte ergeben, dass zwei Drittel von 181 untersuchten Städten die Kosten für Verhütungsmittel nicht übernehmen. Pro Familia hatte wiederholt gefordert, Verhütungsmittel für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld müssten vom Staat bezahlt werden. "Wir hoffen im Zuge der Diskussion über Hartz- IV auf eine Bundesregelung", sagt Hartig.
Die Stadt Flensburg hatte zunächst pro Jahr 10.000 Euro für das Projekt veranschlagt. Der Betrag war jedoch nach wenigen Monaten aufgebraucht. Die Verwaltung stockte noch einmal auf 22.000 Euro für 2009 auf. "Wir hatten zwischendurch eine Warteliste und konnten einigen Frauen danach nicht mehr helfen, weil sie schon wieder schwanger geworden waren", berichtet Hartig. Auch diese Summe wurde ausgeschöpft, für das laufende Jahr sind im Haushalt für Verhütungsmittel 25.000 Euro eingeplant.