Die Machthaber im Iran greifen zum letzten Mittel. Mit der Todesstrafe wollen sie die Demonstranten bestrafen, die gegen das Regime aufbegehren. Binnen 24 Stunden will das Parlament hierzu die rechtlichen Möglichkeiten schaffen. Die Verhaftungswelle dauert an – betroffen sind auch Verwandte wichtiger Oppositioneller.
Nach den gewaltsamen Zusammenstößen im Iran hat das von konservativen Abgeordneten dominierte Parlament die Höchststrafe für Demonstranten gefordert und die Oppositionsführer zur Zurückhaltung ermahnt. Bei Razzien wurden am Dienstag laut reformorientierten Internetseiten erneut Journalisten festgenommen. Zudem wurde die Schwester der iranischen Friedensnobelpreisträgerin und Anwältin Schirin Ebadi abgeführt.
„Das Parlament will, dass Justiz und Geheimdienste jene festnehmen, die die Religion beleidigen, und ohne Zurückhaltung die Höchststrafe über sie verhängen“, hieß es in einer Erklärung, die Parlamentspräsident Ali Laridschani im Fernsehen verlas. Das Parlament mache jedoch einen Unterschied zwischen „politischen Bewegungen, die die Reformer inmitten des Regimes“ repräsentierten, sowie demonstrierenden „Konter-Revolutionären“, sagte Laridschani.
Parlamentsvize Mohammed Resa Bahonar kündigte an, die Abgeordneten würden „binnen 24 Stunden“ die rechtlichen Möglichkeiten für die Todesstrafe schaffen.
Etwas zurückhaltender im Ton richtete sich Laridschani an die Oppositionsführer. Diese sollten sich von den Protesten distanzieren, forderte er. „Wir erwarten von diesen Gentlemen, die sich über die Wahl beschwert haben, dass sie aufwachen und sich deutlich von dieser gefährlichen Bewegung distanzieren.“ Die Oppositionsführer, die das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl vom Juni anzweifeln, sollten durch neue Äußerungen „nicht noch mehr Staub aufwirbeln“.
Die einhellige Kritik westlicher Länder am gewaltsamen Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte wies das Parlament als „abscheulich“ zurück. Außenminister Mottaki warnte die britische Regierung, wenn sie weiter „Lügen“ verbreite, werde Teheran eine harte Antwort geben. Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast teilte mit, nach den „undiplomatischen Bemerkungen“ des britischen Außenministers David Miliband sei der Londoner Botschafter einbestellt worden. Andere Botschafter würden folgen.
Der britische Außenminister Miliband hatte die Berichte über die blutigen Proteste „beunruhigend“ genannt und den „Mut“ der Demonstranten gewürdigt. US-Präsident Barack Obama hatte den Demonstranten seine Unterstützung zugesichert. Unschuldige iranische Bürger würden gewaltsam unterdrückt, sagte Obama am Montag. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte „inakzeptabel“.
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi, die sich zurzeit in London aufhält, berichtete im Nachrichtensender CNN, dass ihre Schwester am Montagabend in Teheran festgenommen worden sei. Mehrere Sicherheitsbeamte hätten das Haus, in dem sie auch normalerweise lebe, am Montagabend durchsucht, den Computer beschlagnahmt und ihre Schwester Nuschin abgeführt, berichtete die 62-jährige Menschenrechtsaktivistin.
Die Anwältin Ebadi erklärte auf der oppositionellen Website Rahesabs.net, ihre Schwester, eine Medizinerin, sei politisch nicht aktiv. Mit der Festnahme solle vielmehr sie selbst gezwungen werden, ihre Aktivitäten zur Verteidigung der Menschenrechte einzustellen. Ebadi war 2003 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Sie hatte den Iran einen Tag vor der Präsidentschaftswahl im Juni verlassen und forderte die internationale Gemeinschaft seitdem immer wieder auf, gegen Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat vorzugehen.
Den reformorientierten Websites Rahesabs.net und Parlemannews.ir zufolge nahmen die iranischen Behörden auch eine Frauenrechtlerin sowie fünf weitere Journalisten fest, unter ihnen der Vorsitzende des iranischen Journalistenverbandes, Maschallah Schamsolvaesin. Ein Schwager von Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi, Schahpur Kasemi, wurde laut Rahesabs.net am Sonntagabend festgenommen und später gegen eine Kaution von 50.000 Dollar freigelassen. Am Montag waren nach Angaben oppositioneller Internetseiten mehr als ein Dutzend Regierungskritiker festgenommen worden. Wie am Dienstag ebenfalls bestätigt wurde, wurde auch ein Reporter aus Dubai festgenommen.
Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen verurteilte die Festnahme mehrerer Journalisten bei den blutigen Protesten im Iran. Die Regierung in Teheran wolle die „Augenzeugen des Blutbades vom 27. Dezember“ einer Zensur unterwerfen, kritisierte die Vereinigung in Paris. Außerdem seien während der Proteste die meisten Internet-Seiten gekappt worden, die unabhängige Informationen verbreiten oder mit der Opposition in Verbindung gebracht werden.
Bei den blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Regierungsanhängern während des schiitischen Aschura-Festes waren am Sonntag laut amtlichen Angaben acht Menschen getötet worden, unter ihnen auch ein Neffe Mussawis. Mehr als 300 Demonstranten wurden festgenommen.
AFP/dpa/ks