Deutsch ins Grundgesetz

SPD erhebt Vorwurf der Deutschtümelei gegen CDU

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Die CDU macht ernst mit ihrer Vision einer Leitkultur: Sie möchte ein Bekenntnis zur deutschen Sprache im Grundgesetz verankern. Koalitionspartner SPD sagt: "Unsinn!" Die türkische Gemeinde wittert den "Zwang zur Assimilierung". Nicht einmal die Kanzlerin trägt den Beschluss ihrer Partei mit.

Die deutsche Sprache soll nach dem Willen der CDU Verfassungsrang erhalten. Die CDU entschied auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart, dass ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgesetz aufgenommen werden soll.

Dieses soll lauten: "Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch." Eine große Mehrheit der Delegierten plädierte gegen den Willen der Parteiführung für einen entsprechenden Zusatz im Grundgesetz. Die CDU sieht darin keine Gefahr, dass Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden, die eine andere Muttersprache haben.

CDU-Chefin Angela Merkel bedauerte den Beschluss. „Ich war dagegen heute“, sagte die Bundeskanzlerin bei RTL. „Ich persönlich finde es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben. Wir haben jetzt Anträge auf Kultur, auf Sport, auf die Frage der Familien, auf die deutsche Sprache jetzt, und wir müssen aufpassen, dass das jetzt nicht inflationiert.“


Die SPD zeigte sich verwundert und verärgert. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, bislang habe die Union immer strikt betont, sie wolle das Grundgesetz an keiner Stelle mehr ändern.


Allerdings sei die SPD bei diesem Thema unter bestimmten Bedingungen gesprächsbereit. Im Gegenzug müsse die Union jedoch zu "wichtigeren Dingen", wie der Aufnahme von Kinderrechten oder des Sports in die Verfassung, bereit sein.


Deutliche Kritik kam von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Das ist überflüssig. Die Amtssprache ist Deutsch. Ansonsten werden bei uns viele Sprachen gesprochen", sagte Oppermann Morgenpost Online.


Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, sagte: "Sich im Grundgesetz zur deutschen Sprache zu bekennen, ist blanker Unsinn. Das ist eine typische Showgeschichte eines Parteitages."


Die CSU will die Forderung des Stuttgarter CDU-Parteitags, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz festzuschreiben, nicht unterstützen. „Was wäre das für ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, wenn sie das nötig hätte“, lehnte CSU-Generalsekretär Karl Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit WELT ONLINE den Vorstoß der Schwesterpartei ab. Die Gesellschaft müsse auch ohne entsprechende Passagen in der Verfassung die Kraft aufbringen, ihre Sprache zu schützen.

Sprache als Grundlage der Gesellschaft

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Maria Böhmer, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Deutsch ist das Band, das uns verbindet." Sprache sei die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das gelte auch für die Integration von Migrantinnen und Migranten.


Kritik kam jedoch von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Erneut bedienen einige Politiker in der CDU vorhandene Ängste und Klischees gegenüber Migrantinnen und Migranten“, erklärte der Vorsitzende Kenan Kolat. "Wir verstehen dieses Vorhaben als Assimilierungsdruck und mit demokratischen Gepflogenheiten nicht vereinbar."


Die Formulierung soll nach dem Beschluss in den Artikel 22 Grundgesetz aufgenommen werden. Darin ist bisher Berlin als Hauptstadt festgeschrieben. Ferner heißt es in Absatz 2: "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold."


Bundestagspräsident Norbert Lammert wies darauf hin, dass die meisten Verfassungen der EU-Staaten ein solches Bekenntnis zur Sprache enthalten. Wenn Deutschland dem folge, sei das eine "schiere Selbstverständlichkeit" und habe nichts mit einem latenten Nationalchauvinismus zu tun. Die Frage sei auch schon im Zusammenhang mit der Föderalismusreform besprochen worden.


Saarlands Ministerpräsident Peter Müller meinte, die Partei müsse sich klar dazu bekennen, "was den Staat ausmacht". Neben der Flagge gehöre dazu auch die deutsche Sprache. Müller sagte anschließend, das Bekenntnis zur deutschen Sprache mit Verfassungsrang sei wichtig für die Identität. "Deutsch ist Deutsch sprechen und deutsche Identität."


In der Debatte hatte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla darum gebeten, von einem entsprechenden Beschluss jetzt abzusehen und den Punkt später zusammen mit anderen möglichen Verfassungsergänzungen zu diskutieren. Am Ende widersetzten sich die Delegierten im Sinne Müllers der Parteiführung und stimmten erstmals gegen sie.

"Populistisches Ablenkungsmanöver der CDU"

Für die FDP ist die CDU-Forderung ein populistisches Ablenkungsmanöver. Nach wie vor weigere sich die CDU, ein Staatsziel Kultur in die Verfassung aufzunehmen, sagte der FDP-Kulturpolitiker Christoph Waitz in Berlin.


Die FDP-Bundestagsfraktion plädiere seit Jahren dafür. Dazu gehöre dann selbstverständlich auch die deutsche Sprache.


Auch der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, verteidigte den Beschluss: "Sprache ist doch das höchste Kulturgut. Was spricht dagegen, dieses Kulturgut in der Verfassung festzuschreiben?" Die Franzosen hätten doch überhaupt kein Problem, ihre Kulturgüter ähnlich hoch zu halten.


Der Verein Deutsche Sprache (VDS) begrüßte den CDU-Beschluss. "Der VDS hat lange dafür gestritten, dass die deutsche Sprache Verfassungsrang erhält", sagte sein Vorsitzender Walter Krämer. Dies werde das Ansehen des wichtigsten Kulturgutes erhöhen.


Die dem CDU-Bundesvorstand angehörende, ehemalige Ausländerbeauftragte von Berlin-Tempelhof-Schöneberg, Emine Demirbüken-Wegner, meinte, dass die Bedeutung der deutschen Sprache auch von Migranten immer mehr anerkannt werde. "Wir sind weiter als viele denken."

( AP/dpa/fsl )