„Der kluge Mann baut vor“ – nach diesem Motto verfährt Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Neubau seines Ministeriums in Sichtweite des Kanzleramtes, für das der CDU-Politiker den ersten Spatenstich setzte, wird reichlich Platz bieten. Rund 1400 Bedienstete könnten einziehen. Doch so viele hat das Ressort in Berlin überhaupt nicht. Eingerechnet sind 238 Mitarbeiter, die ihren Dienst noch in der „Bundesstadt Bonn“ verrichten. Für sie hat de Maizière schon einmal vorsorglich Büros vorgesehen.
Ein kleiner Eklat: Der Neubau ist ein Politikum. Denn die Räume sollen gebaut werden, obwohl die gesetzliche Grundlage für den Umzug der Bonner Mitarbeiter fehlt. Das Bonn-Berlin-Gesetz garantiert, dass Bundesministerien auf beide Städte verteilt bleiben müssen. Selbst Politstar Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) musste das respektieren. Zwar hatte eine von ihm eingesetzte Kommission kürzlich den Umzug des Verteidigungsministeriums von der Bonner Hardthöhe an den Berliner Regierungssitz empfohlen. Doch der Druck der Bonn-Lobby im Bundestag war so stark, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sofort klar stellen ließ, an dem Gesetz von 1994 werde festgehalten.
In Bonn haben immer noch sechs Bundesministerien ihren Hauptsitz, obwohl Deutschland bereits seit elf Jahren von Berlin aus regiert wird. Es handelt sich um die Ressorts für Verteidigung, Gesundheit, Umwelt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Landwirtschaft sowie Bildung/Forschung. Das Kanzleramt und die restlichen acht Ministerien unterhalten zusätzlich Außenstellen am Rhein. Der Doppelbetrieb und die Beamten-Pendelei verschlingen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zufolge allein in diesem Jahr 10,6 Millionen Euro. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler wird aber viel mehr Geld ausgegeben, wenn man sämtliche Kosten des doppelten Regierungsapparates einbezieht.
De Maizière weicht nun die Position der Regierung auf, indem er „Vorsorge“ für den Fall trifft, dass das Bonn-Berlin-Gesetz geändert wird. Davon wird in einem internen Papier des am Neubau des Innenministeriums beteiligten Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, das vom 1. Dezember datiert ist und „Morgenpost Online“ vorliegt, bereits ausgegangen: „Gleichzeitig wird im Falle einer zukünftigen Änderung der Gesetzeslage eine planerische Vorsorge für die in Bonn untergebrachten Mitarbeiter geschaffen.“
Doch die Bonn-Lobbyisten im Parlament, die Abgeordneten aus dem einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen, wollen das verhindern. Zu ihnen zählt der einflussreiche Innenausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU), der seinen Bundestagswahlkreis in Bergisch Gladbach bei Köln hat. „Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass viele Kräfte am Werk sind, die das Bonn-Berlin-Gesetz aushöhlen wollen. Aber darüber entscheidet das Parlament. Ich sehe weder eine Mehrheit noch die Notwendigkeit, das Gesetz zu ändern“, sagte Bosbach „Morgenpost Online“. Denn dieses Gesetz stelle die Geschäftsgrundlage für die frühere Entscheidung des Bundestags dar, dass Regierung und Parlament nach Berlin umziehen konnten.
Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) sieht das Bonn-Berlin-Gesetz nicht gefährdet. „Wir müssen das, was sich in Berlin abspielt, mit Gelassenheit ertragen. Es geht darum, den Geist des Gesetzes zu erhalten. Man muss nicht um einzelne Büros in einem Ministerium rangeln“, sagte er Morgenpost Online. Als positives Beispiel wird in der Stadtverwaltung das Materialbeschaffungsamt genannt, das dem Bundesinnenministerium untersteht. Die Behörde mit 210 Mitarbeitern, die vom Bleistift bis zum Wasserwerfer alles Lebenswichtige für die Polizei besorgt, zieht gerade innerhalb von Bonn um – es wurde ein Mietvertrag mit zehnjähriger Laufzeit abgeschlossen.
In dem Streit zwischen Bonn und Berlin schlägt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder, jetzt einen Kompromiss vor. „Die Ministerien gehören nach Berlin. Im Gegenzug können die nicht-ministeriellen Bereiche nach Bonn umziehen. Vorbild ist hier das Bundesjustizministerium, das vollkommen in Berlin ist. Dafür befindet sich das Bundesamt für Justiz in Bonn“, sagte Schröder „Morgenpost Online“. Mit einer solchen Lösung soll den Bonnern der Komplettumzug der Bundesregierung nach Berlin, den der CDU-Politiker fordert, schmackhaft gemacht werden.
Bis es eines Tages so weit ist, dass alle Ministerialen in der Hauptstadt sind, sollen möglichst keine zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler entstehen. Rund 208 Millionen Euro sind für den Neubau des Bundesinnenministeriums veranschlagt. Ohne die Büros für die Bonner Mitarbeiter wäre er wahrscheinlich etwas preiswerter. Ressortchef de Maizière hat schon eine Idee, wie er die höheren Baukosten wieder hereinbekommen will: Die Räume sollen so lange an andere Behörden vermietet werden, bis die Bonner nach Berlin kommen.