Die Internetplattform Wikileakes hat zahlreiche neue Enthüllungen angekündigt. Für viele Politiker könnte es sehr peinlich werden.

Das politische Erdbeben kündigt sich mit heftigen Warnstößen an: Die britische Regierung gibt vorsorglich eine „DA-Notice“ (Defence Advisory Notice) heraus. Das tut sie selten. Denn die „DA-Notice“ ist die Bitte einer Informationssperre wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit. Nicht islamistische Terroristen, sind der Grund für Londons medienpolitische Notbremse. Sondern das berühmt-berüchtigte Enthüllungsportal Wikileaks.

Drei Millionen Geheimdokumente will das Internetportal Sonntagabend ins Netz stellen, peinliche bis entlarvende Depeschen US-amerikanischer Diplomaten über die Politikerelite ihrer jeweiligen Gastländer sollen darunter sein, sehr persönliche Einschätzungen, verletzend bis diskriminierend.

Das US-State-Department ist in Aufruhr und seit Tagen mit diplomatischer Begrenzung des politischen Flurschadens beschäftigt. US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton telefoniert sich präventiv die Finger wund.

Ihren chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi hat sie bereits vorgewarnt, wie Außenamtssprecher Philip Crowley bestätigte. Er fügte an, die angekündigte Veröffentlichung diplomatischer Depeschen sei „unverantwortlich“. „Die typischen Mitteilungen beschreiben Zusammenfassungen von Treffen, Analysen von Ereignissen in anderen Ländern und Protokolle vertraulicher Gespräche mit Mitgliedern anderer Regierungen“, sagte Crowley.

Damit aber würden „Leben und Interessen“ der USA aufs Spiel gesetzt. US-Diplomaten seien damit beschäftigt, Regierungen auf der ganzen Welt auf die Veröffentlichungen vorzubereiten, ganz besonders in Großbritannien, Kanada, Australien, Israel, Dänemark, in der Türkei, im Irak und in Norwegen.

In Deutschland werden wir wohl erfahren, was die ehemalige und die derzeitige US-Außeninisterin, Condoleeza Rice und Hillary Clinton, wirklich von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter-Steinmeier oder von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hielten und halten.

Besonders positiv schneidet in den US-Dossiers dem Vernehmen nach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ab, andere Akteure der deutschen Außenpolitik hält man in Washington offenbar für Leichtgewichte.

Die israelische Zeitung „Haaretz“ spekuliert bereits über unangenehme Wahrheiten zum Nahost-Friedensprozess und auch in der Türkei ist man nervös: Verbindungen von staatlichen Stellen zum islamistischen Terrornetzwerk al-Qaida stehen womöglich vor der Aufdeckung. Dazu peinliche Einschätzungen hoher türkischer Politiker durch US-Diplomaten.

US-Generalstabschef Mike Mullen warnte Wikileaks davor, weitere geheime Dokumente zu veröffentlichen. Dies sei „extrem gefährlich“, sagte Mullen dem US-Fernsehsender CNN. Er hoffe, dass die Verantwortlichen bei Wikileaks an einen Punkt kämen, an dem sie über ihre Verantwortung für das Leben anderer nachdächten, die sie in Gefahr brächten.

Die Auswertung der Dokumentenkonvolute hat die Redaktionen der beteiligten Zeitungen und Magazine dieses Mal offenbar wesentlich länger in Anspruch genommen als bei den Veröffentlichungen zu Krieg in Afghanistan und dem Irak zuvor. Die an der Veröffentlichung beteiligten Medien haben sich offenbar auf eine Sperrfrist von Sonntag Abend, 22.30 Uhr verständigt.

Die „undichte Stelle“, von der die Dokumente stammen, soll laut US-Quellen bereits in Haft sein.