Bildungssenatorin Sandra Scheeres startet eine Qualitätsoffensive. Das wurde auch höchste Zeit, findet Christine Richter.
Endlich. Ein anderes Wort ist mir nicht eingefallen, als ich in dieser Woche von den neuen Plänen der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hörte. Scheeres, die seit acht Jahren für die Situation in den Berliner Schulen verantwortlich zeichnet, will nun eine Qualitätsoffensive starten. So sollen die Grundschüler eine Stunde mehr Deutsch lernen, darüber hinaus soll es mehr Anstrengungen bei Mathematik geben. Zu dem umfangreichen Plan gehört auch beispielsweise, dass es dreimal pro Woche ein je 15-minütiges Lesetraining und täglich ein fünf- bis zehnminütiges „Schreibflüssigkeitstraining“ sowie „Rechtschreibgespräche“ geben soll. Endlich tut sich was in den Berliner Schulen.
Ich habe mich in den vergangenen Jahren sehr, sehr oft gefragt, wie viele Studien eigentlich noch vorgelegt werden müssen, bis die Politiker reagieren. Der Pisaschock, den alle in Deutschland erlitten, ist lange her, die Situation in Berlin verbesserte sich danach jedoch kaum. Immer wieder lag Berlin beziehungsweise lagen die Berliner Schüler bei den Untersuchungen hinten – sei es bei den Deutsch- und Mathematikkenntnissen, sei es bei den Lese- und Schreibfähigkeiten. Erst vor einem Jahr hatte ein Vergleichstest unter Drittklässlern ergeben, dass knapp die Hälfte der Berliner Schüler in Rechtschreibung nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllte. Und dies, obwohl Berlin pro Kopf mehr Geld für seine Schüler ausgibt als die anderen Bundesländer. Ein Umstand, den übrigens schon den früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) verzweifeln ließ – das zeigt, wie lange schon über den schlimmen Zustand der Schulbildung in Berlin diskutiert wird.
Scheeres, die bereits in ihrer ersten Amtszeit umstritten war, wurde – zur Überraschung selbst vieler Sozialdemokraten – vor zwei Jahren vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) dann wieder zur Bildungssenatorin ernannt. Wahrscheinlich, weil sie so eine treue Seele ist.
In den Schulen änderte sich aber wenig, außer der Tatsache, dass die Zahl der Quereinsteiger, also jener Lehrer ohne ein pädagogisches Studium, immer weiter anstieg – zum Schuljahr 2018/19 auf rund 1700. Inzwischen gibt es darüber hinaus sogar noch rund 900 „Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung“, sogenannte LovL. Das heißt, diese Lehrer haben gar kein Berliner Schulfach studiert und kommen nicht einmal für den Quereinstieg in Frage. Anders wusste Scheeres sich aber nicht zu helfen, um dem großen Lehrermangel zu begegnen.
Umso mehr muss man sich freuen, dass jetzt auch auf die Unterrichtsqualität geschaut wird. Dass Scheeres sogar den Mut aufbringt, den Schulinspektoren neue Anweisungen zu geben. Diese sollen künftig bei ihren Inspektionen die Lernergebnisse stärker gewichten. Wir erinnern uns: Die erfolgreiche Friedenauer Friedrich-Bergius-Schule fiel im letzten Jahr durch die Inspektion, weil sie angeblich zu wenig für die Unterrichts- und Schulentwicklung getan hatte. Dabei sprechen die Zahlen für sich: 50 Prozent der Zehntklässler erreichen an dieser Sekundarschule einen guten Mittleren Schulabschluss. Bei anderen Berliner Schulen mit vergleichbarer Schülerzusammensetzung – zwei Drittel ohne deutsche Herkunftssprache, die Hälfte aus Hartz-IV-Familien – liegt die Quote bei 37 Prozent. Schulleiter Michael Rudolph haben wir auch in unserer Zeitung schon vorgestellt, weil er seine Schule so toll – und auch konsequent führt. Wer in Friedenau zu spät kommt, muss erst im Schulhof Müll sammeln, bevor er zur zweiten Stunde in den Unterricht darf. Wer pünktlich ist, wird ab 7.30 Uhr vom Schuldirektor persönlich begrüßt – im Foyer einer sauberen Schule. Scheeres hat auch das offensichtlich anerkannt, denn auch die neuen Regeln für die Schulinspektion gehören zur Qualitätsoffensive dazu.
Es ist ein langer Weg, der vor den Schulen und den dort Verantwortlichen, vor den Lehrer und den Eltern liegt. Es lohnt sich, sie zu unterstützen – und die Daumen zu drücken.
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