Trotz einiger Probleme war die Leichtathletik-EM insgesamt ein Erfolg für Berlin, sagt Sportredakteur Dietmar Wenck.
Wer in den vergangenen Tagen durch den Tiergarten spazierte, mag sich gewundert haben. So viele Jogger, und dann noch so schnelle, hat es hier noch nie gegeben. Das passiert, wenn die besten Leichtathleten Europas in der Stadt sind und zwischendurch mal ein lockeres Training absolvieren. Wer das bisher nicht realisiert hatte, konnte es spätestens am Sonnabend in der City rund um den Breitscheidplatz spüren. Dort, wo die Geher und Geherinnen auf einem engen Kurs ihre Besten über 20 Kilometer ermittelten, herrschte eine Volksfeststimmung, wie der Berliner sie sonst von seinem Marathon kennt. Ohnehin war die „Europäische Meile“ neben der Gedächtniskirche als täglicher Ort der Medaillenzeremonie und eines bunten Showprogramms ein Renner, um im Bild zu bleiben.
Die Organisatoren der Europameisterschaft nennen diesen Platz das zweite Herz der Veranstaltung und schwärmen von ihrem Konzept, die an den Rand gedrängte Sportart Leichtathletik zurück zu den Menschen gebracht zu haben, mitten in die Stadt. Ihr Plan ist ja auch aufgegangen. Die Gedanken an den Terror, der sich hier im Dezember 2016 ereignete, waren zumindest vorübergehend verflogen. Am Ticketschalter im Bikini-Haus für die Wettkämpfe sieben Kilometer westlich im Olympiastadion herrschte Andrang, was dafür spricht, dass neue Kundschaft für die Leichtathletik begeistert werden konnte.
So viele Eintrittskarten wie noch nie zuvor
Die riesige Arena in Westend war insgesamt sehr gut besucht, vor allem am Freitag mit 50.000 und am Sonnabend mit noch mehr Zuschauern. Insgesamt werden am Ende über 300.000 Menschen – die nicht gerade billigen – Eintrittskarten für die Wettbewerbe gekauft haben. Bei keiner der vorangegangenen 23 Europameisterschaften waren es so viele.
Eine weitere Premiere hat Erfolg: Die Idee von den „European Championships“, sieben kontinentale Meisterschaften in verschiedenen Sportarten gemeinsam zu vermarkten, kommt beim Fernsehpublikum an. Die deutschen Sender haben exzellente Quoten; die Disziplinen nahmen sich keine Zuschauer weg, das Gesamtpaket wurde angenommen.
Berlin nicht ganz perfekter Gastgeber
Allerdings gingen nicht alle Wünsche in Erfüllung. Als ganz perfekter Gastgeber konnte sich Berlin nicht präsentieren. Technische Probleme bei der Messung im Weitsprung, Diskuswurf und 10.000-Meter-Lauf, eine Frau, die sich als Pommes verkleidet unberechtigt Zugang zum Innenraum verschaffte, ein verzögerter Start der Geher wegen ausströmenden Gases aus einem Gully. Dazu ein Wlan-Netz, das immer wieder zusammenbrach. Ja, es gab ein paar Pannen zu viel im Land der Ingenieure. Das kann Berlin noch besser – vielleicht bei der nächsten Großveranstaltung, vielleicht dann wieder im Olympiastadion.
Was aus der historischen Arena wird, ist völlig offen. Nur bis 2025 ist dort Hertha BSC noch Mieter, danach fallen hohe Einnahmen weg. Was dann? Ein Umbau, vielleicht gar zum reinen Fußballstadion, ein Neubau nebenan? Berlin braucht hier bald eine Entscheidung. Eigentlich sollte eine Stadt, die für die Restaurierung einer Oper fast eine halbe Milliarde Euro ausgegeben hat, Wege finden.
Die Atmosphäre bei der EM jedenfalls war beste Werbung für den Erhalt der Wettkampfstätte. Viele Topsportler wie Speerwurf-Europameister Thomas Röhler oder Diskus-Idol Robert Harting können sich nicht vorstellen, dass die blaue Bahn verschwindet, auf der Usain Bolt 2009 bei der WM Weltrekorde lief. „Eine Vernichtung ist keine Lösung“, sagt Harting.
Im Gespräch ist, dass Berlin sich irgendwann für die „European Championships“ bewirbt. Bis dahin klappt es sicher auch mit der Weitenmessung.
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