Kommentar

Durchfahrende S-Bahnen - Macht die großen Bahnhöfe dicht!

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Volle S-Bahnen sollen künftig Stationen auslassen - ein Kommentar von Ulrich Kraetzer

Volle S-Bahnen sollen künftig Stationen auslassen - ein Kommentar von Ulrich Kraetzer

Foto: Reto Klar / Montage: BM

Verspätete S-Bahn-Züge sollen an Bahnhöfen künftig ohne Halt durchfahren. Schafft die Stationen doch einfach ab, sagt Ulrich Kraetzer.

Berlin.  Der Berliner mauschelt sich ja bekanntlich gerne so durch. Das gilt für die Politik und für die Behörden – und auch für die Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs. Damit ist nun Schluss: Denn um das Problem der zunehmenden Verspätungen in den Griff zu bekommen, hat die Berliner S-Bahn einen tollkühnen Plan gefasst.

S-Bahn-Chef Peter Buchner hat der Berliner Morgenpost das Vorhaben bestätigt. Er bewirbt sich damit um die Auszeichnung für den Manager des Jahres. Ja, der Mann hat Visionen – und wir sollten ihn machen lassen!

Buchners Plan lautet so: Wenn Züge auf der Ringbahn mal wieder mit satter Verspätung unterwegs sind, sollen sie an ausgewählten Stationen im südwestlichen Teil des Rings künftig einfach ohne Halt durchfahren. Die Verspätung eines einzelnen Zuges hätte dann nicht mehr zur Folge, dass auch die nachfolgenden Züge verspätet sind – so die Idee.

Immer was los in der S-Bahn – ob man will oder nicht

Klingt super, Herr Buchner! Toll auch, dass Ihr Unternehmen an die Fahrgäste gedacht hat, die an Bahnhöfen, an denen Züge künftig einfach durchfahren, eigentlich aussteigen wollen. Sie können ja eine Station weiter fahren und mit dem Zug aus der Gegenrichtung wieder zurück. Ein Kinderspiel! Vor allem Kinder oder Touristen, die kein Deutsch sprechen und sich im S-Bahn-Netz nicht so gut auskennen, werden sich bedanken. Ist eben immer was los in der S-Bahn – ob man will oder nicht.

Auf ein großartiges Erlebnis dürfen sich auch alle freuen, die an den Hier-halten-wir-nicht-Bahnhöfen einsteigen wollen. Sie dürfen einfach etwas länger warten – und können genießen, wie ein verspäteter Zug an ihnen vorbeirauscht. Klasse! Der nächste Zug kommt ja bestimmt – und in dem wird‘s umso kuscheliger!

Die S-Bahn - ein tägliches Überraschungsei

Das S-Bahn-Fahren als Event, als tägliches Überraschungsei, von dem man nie weiß, was drin ist. Soweit so gut. Aber ein bisschen Kritik wollen wir dann doch üben: Warum so halbherzig, lieber Herr Buchner? Da geht noch mehr!

Wir hätten da eine Idee: Es geht um die großen Umsteigebahnhöfe. Im Berufsverkehr ist es dort bekanntermaßen ziemlich voll – und statt weiter nur Flickschusterei zu betreiben, brauchen wir einen großen Wurf. Er lautet: Macht die Bahnhöfe dicht! Ein paar Hinweisschilder, eine nette Durchsage – und die Fahrgäste laufen einfach zur nächsten Bushaltestelle. Die BVG wird‘s schon richten!

Ja, es ist noch Luft nach oben, und die S-Bahn lässt die nötige Konsequenz vermissen. Aber die Richtung stimmt, und die S-Bahn hat endlich erkannt, wo sie bei ihrer Qualitätsoffensive ansetzen muss: bei den Fahrgästen. Sie stören – und müssen weg! Und darauf, lieber Herr Buchner, hätten Sie eigentlich auch schon früher kommen können.

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