Berlin. Zum Abschluss seiner Zeit als CDU-Fraktionschef in Berlin ist ihm eines gelungen, was er in den sieben Jahren seiner Amtszeit nie geschafft hat: der große Auftritt. Florian Graf trat am Donnerstagabend völlig überraschend und mit der Spitze der Berliner CDU völlig unabgestimmt zurück. Ein Paukenschlag – aber einer, den man nur als unprofessionell und, schlimmer noch, unpolitisch bezeichnen kann.
Statt einen geordneten Übergang zu organisieren, wird die Berliner CDU wieder in eine massive Führungskrise gestürzt. Monika Grütters, die Kulturstaatsministerin und Berliner CDU-Chefin, die in den letzten Tagen mehrfach öffentlich davon sprach, dass die Berliner CDU angesichts der schlechten Stimmung bei Rot-Rot-Grün sofort handlungs- und regierungsfähig sei, steht nun als eine da, die ihren Laden nicht in Griff hat. Erst kurz vor seinem Rücktritt soll Graf sie informiert haben – zu spät für Grütters, um noch eingreifen zu können. Eigentlich, auch das sagte Grütters in den vergangenen Tagen immer wieder, will sie die Frage der nächsten Spitzenkandidatur in Berlin erst im Jahr 2020 klären.
Wohl wissend, dass es in der Berliner CDU schon länger den Plan gibt, den Fraktions- und Landesvorsitz ab dem Jahr 2019 – dann sind turnusmäßig parteiinterne Wahlen – in eine Hand zu geben, damit sich der nächste Spitzenkandidat klar als Oppositionsführer gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller profilieren kann. Auch Graf war in diesen Plan einbezogen, allerdings war immer klar, dass er dann den Fraktionsvorsitz abgeben müsste. Als Spitzenkandidat kam er nie infrage.
So ist die CDU-Landesvorsitzende blamiert, die Fraktion steht kopflos da. Seit Donnerstagabend wird nun hektisch telefoniert, werden viele Gespräche geführt, gekungelt, was das Zeug hält. Wie es in solchen Situation ohne klare Absprachen eben der Fall ist. Am Donnerstagabend waren noch drei mögliche Nachfolger im Gespräch – Stefan Evers, der Generalsekretär, Burkard Dregger, der innenpolitische Sprecher, und Mario Czaja, der ehemalige Gesundheitssenator.
Burkard Dregger will antreten
Am Freitag wurde dann klar, dass Dregger antreten will – und auf die Unterstützung durch Monika Grütters hoffen kann. Doch einflussreiche Parteivertreter wollen Czaja an der Spitze der Fraktion sehen und organisierten innerhalb weniger Stunden eine Mehrheit in der Fraktion für ihn. So könnte es sogar wieder einmal eine Kampfkandidatur um den Fraktionsvorsitz geben, was kein Ausweis für Geschlossenheit ist, aber zumindest das Durcheinander in der Berliner CDU widerspiegelt.
Was bleibt? Die Berliner CDU kreiselt erst einmal weiter um sich selbst. Und das in einer Situation, in der der Streit bei Rot-Rot-Grün immer heftiger wird. Beim Wohnungsbau, bei der Bewertung der Hausbesetzungen oder bei der Frage, wie der Autoverkehr in Berlin künftig berücksichtigt werden soll, ist sich der rot-rot-grüne Senat ja zutiefst uneins. Michael Müller warf Grünen und Linken in dieser Woche vor, sie beschäftigten sich mit „Micky-Maus-Themen“, Grüne und Linke zankten zurück.
Auch in seiner eigenen Partei steht Müller mächtig unter Druck, kommt die SPD derzeit in Umfragen doch nur auf 17 Prozent, von Erneuerung keine Spur. So drohte Müller am heutigen Sonnabend bei seiner Wiederwahl zum Landesvorsitzenden ein schlechtes Ergebnis – das dürfte sich dank CDU erledigt haben.
Mit der neuerlichen Führungskrise hat die Berliner CDU zu Müllers Stabilisierung beigetragen – und den öffentlichen Nachweis geliefert, dass sie derzeit nicht regierungsfähig ist. Dem bürgerlichen Berlin, dem fehlt mehr denn je eine politische Alternative.
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