Vorstoß

Ein gewagter Versuch in der Berliner Flüchtlingspolitik

Ulrich Kraetzer
Ein Flüchtling aus Syrien in einer Berliner Sporthalle

Ein Flüchtling aus Syrien in einer Berliner Sporthalle

Foto: dpa Picture-Alliance / Kay Nietfeld / picture alliance / dpa

Rot-Rot-Grün drückt bei der Räumung der Turnhallen aufs Gas - mit einer gewagten Argumentation, meint Ulrich Kraetzer.

Sie wird nicht damit gerechnet haben – und es hat sich bewahrheitet: Elke Breitenbach, die neue Sozialsenatorin im rot-rot-grünen Senat, ist zwar erst seit sechs Tagen im Amt. Eine Schonfrist hat die Linke-Politikerin aber nicht. Am Dienstag musste sie sich nach der Senatssitzung kritischen Fragen stellen. Aber nicht, weil sie etwas falsch gemacht hat. Die untragbare Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen, für die Breitenbach nun zuständig ist, lässt für Nettigkeiten schlicht keinen Raum.

Tausende, die vor Bürgerkriegen, politischer Verfolgung oder schierer Armut geflohen sind, müssen seit Monaten oder gar mehr als einem Jahr unter teilweise menschenunwürdigen Zuständen hausen, weil die Berliner Behörden sich angesichts des Ansturms überfordert zeigten. So kann es nicht weitergehen. Breitenbach muss also handeln – und schnell Erfolge vorweisen.

Viel Zeit hat sie sich mit ihrem ersten Vorschlag nicht gelassen: Um den Umzug von Flüchtlingen aus Turnhallen in Containerdörfer zu beschleunigen, wollen sie und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) auf die eigentlich obligatorischen Ausschreibungen für den Betrieb der Einrichtungen verzichten. Begründung: In den Unterkünften seien die Zustände derart unhaltbar, dass Sicherheit und öffentliche Ordnung gefährdet seien. Das Berliner Polizeigesetz verpflichte die Behörden daher sogar dazu, tätig zu werden.

Juristisch betrachtet ist diese Argumentation gewagt – und Unternehmen, die nicht zum Zuge kommen, könnten gegen die freihändige Vergabe klagen. Womöglich wird die Koalition ihren ambitionierten Plan zum Freizug der Turnhallen also nicht umsetzen können. Den Versuch ist es dennoch wert. Denn ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Im Interesse derer, die in den Hallen wieder Sport machen wollen. Und vor allem im Interesse der Flüchtlinge.