Kulturstaatsministerin Monika Grütters möchte die Kunst stärker unter nationale Kontrolle stellen. Für jedes wertvolle Stück, das das Land verlässt, sollen die Sammler eine Ausfuhrgenehmigung beantragen. Dafür hat sie ein Gesetzesvorhaben entworfen, das unbeliebter ist als jeder andere Entwurf, der seit Bestehen dieses Ministeriums, also seit 1998, an die Öffentlichkeit gelangt ist.
Als „Kulturvertreibungsgesetz“ hat Matthias Döpfner, Springer-Chef und eifriger Sammler, die Novelle bezeichnet. Kunsthändler sehen das Vorhaben als eine „kalte Enteignung“. Georg Baselitz lässt dieser Tage seine Bilder aus den Museen in Dresden und Chemnitz abhängen, sie waren Leihgaben, die bald die interessierte Öffentlichkeit nicht mehr betrachten kann.
Baselitz’ Entscheidung ist, anders als von Grütters dargestellt, eine rationale Entscheidung und keine Überreaktion. Denn wenn der Staat damit droht, in die Eigentumsrechte des Einzelnen einzugreifen, dann denkt man schon darüber nach, die Flucht zu ergreifen. Daher ist Grütters Entwurf auch nicht eine Angelegenheit, die lediglich in der abgeschirmten Welt der Kunst von Interesse ist.
Zu den Eigentumsrechten gehört auch immer ein Verfügungsrecht: Das heißt, zu dem Recht, dass einem etwas gehört und dieses anerkannt ist, gesellt sich das Recht, dass man die Sache wieder verkaufen kann. Das gilt für das Auto, das Haus und eben auch für das Gemälde. Und wer ein Gemälde erworben hat, der möchte es verkaufen können, wohin er möchte – und nicht nur in den deutschen Gebietsgrenzen.
Von einigen Seiten kommt nun dieser Tage als Argument, dass dieses Gesetz helfen könne, die Spekulation einzudämmen und den Kunstmarkt insgesamt mit seinem Profitstreben und den astronomischen Preisen zu ordnen. Monika Grütters verwendet diese Linie nicht explizit, deutet aber an, dass ihr die ganze Richtung im modernen Kunstbetrieb nicht passt. So moniert sie, dass Museen „Durchlauferhitzer“ für den Kunstmarkt sind.
Gewiss ist es nicht unüblich, dass private Sammler ihre Kunst an ein Museum als Leihgabe übergeben, damit den Wert steigern, den sie später auf dem internationalen Kunstmarkt erlösen können. Denn wenn ein Werk in einem Museum öffentlich gezeigt wird, gilt das als Adelung. Und Adelstitel haben nun einmal ihren Preis. Wo der Schaden in der Praxis liegt, ist nicht erkennbar, schließlich kann die Öffentlichkeit zumindest für einen Zeitraum die Kunst betrachten.
Monika Grütters begründet ihr Vorhaben auch damit, dass nationale Identität nicht über Kindergärten oder Autobahnen erwachse, sondern über das „nationale Kulturgut“. Das ist eine starke, geradezu waghalsige Behauptung, hatte man doch in den vergangenen Jahren eher den Eindruck, eine patriotische Stimmung entsteht eher beim Betrachten der deutschen Nationalmannschaft als beim Betrachten eines Gemäldes von Georg Baselitz.
Anders gefragt: Braucht das Land tatsächlich seine Kunst in der Heimat, damit wir eine „nationale Identität“ haben? Welcher Künstler ist denn „besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands“, so wie es in dem Gesetzesvorhaben steht? Es ist aberwitzig, ausgerechnet die Kunst, die „in deutschen Händen“ ist, zu strangulieren. Denn es gibt keine Kulturform, die weltweit so allgegenwärtig ist wie die Kunst. Popmusik, Film, Literatur sind – im Grunde überraschend in Zeiten der Globalisierung – immer noch stark an das Herkunftsland gebunden. Sätze wie „das läuft nur in Deutschland“ oder „das versteht man hier“ nicht, hört man nur von Filmschaffenden, Literaturagenturen oder Musikkonzernen, nie aber von einem Kunsthändler oder Künstler.
Selbst wenn Brücke-Maler, Neue Sachlichkeit oder Neue Wilde eine recht deutsche Angelegenheit waren, erzählen sie uns doch nicht nur über ein Land, sondern vor allem über eine Epoche. Eine Epoche, die etwas über den Zustand der Welt erfährt. Und die Weltbürger sollten daran teilhaben dürfen.