Antike Türbeschläge, alte Mauersteine und historische Hölzer werden wieder neu verarbeitet. Jedes von ihnen erzählt ein Stück Geschichte. Ein Thema für Individualisten, die Kulturgut schätzen.

Ein Türgriff aus einer Jugendstilvilla, bemalte Badezimmerfliesen und vielleicht noch Dachziegel eines alten Bauernhauses – wer ein denkmalgeschütztes Gebäude sanieren möchte oder einfach Zitate aus vergangenen Zeiten liebt, der wird unweigerlich den Weg zu einem Experten finden, der mit historischen Baumaterialien handelt. Nicht wenige finden den Weg zu Rainer W. Leonhardt in Charlottenburg, der sich seit fast 35 Jahren mit diesem Thema befasst.

„Früher handelte es sich bloß um eine Tischlerei, die viel im Bereich der Denkmalpflege und Restaurierung zu tun hatte“, erzählt der 63-Jährige. Die benötigten Hölzer, Beschläge oder Glaselemente bekam man nicht einfach im Baumarkt nebenan.

„In Baucontainern fanden wir alte Fußböden und Treppenstufen, die wir entnagelt und gesund geschnitten haben. Unser Holzlager wurde so groß, dass der Weg zum Handel nur logisch war.“ Anfangs wurde man vor allem in der eigenen Stadt fündig, später wurde der Radius größer, und man beförderte schon einmal ein komplettes Fachwerkgerippe aus der Lüneburger Heide per Tieflader nach Berlin.

Bis vor drei Jahren gehörte eine eigene „Abbauabteilung“ inklusive Kran zum Unternehmen, die komplette Gebäude zurückbaute. Rainer Leonhardt hält heute regelmäßig Vorträge bei der „Deutschen Stiftung für Denkmalschutz“. Er liebt seine Arbeit, hat sogar Geschichte studiert – doch zur „Schatzsuche“ möchte er das, was er tut, nicht verklärt wissen.

Türklinken und Beschläge verziert mit Bienenkörben

Zu seinen Kunden gehören heute immer mehr Menschen, die vor allem bei der Einrichtung eines Altbaus bewusst mit historischen Elementen spielen wollen. „Ich versuche, ganz genau zu erfragen, welche Teile passen könnten.“ Wie alt ist das Haus? Wie sieht es aus? Wo steht es?

Manchmal läuft es auch umgekehrt. Da kommen Berliner mit Fundstücken zu ihm, bitten um seine Einschätzung. „Eine Dame brachte Beschläge und Türklinken mit Bienenkörben darauf. Nach eingehender Recherche konnte ich ihr erzählen, dass ihr Haus einmal im Besitz eines wohlhabenden Honiggroßhändlers gewesen ist.“

Wie genau es Leonhardt mit jedem Detail nimmt, beweist er wie viele seiner Kollegen seit Jahren auch als Filmausstatter. Er hat Mauerziegel für „Der Pianist“ geliefert genauso wie Türbeschläge für den Tolstoi-Film „The Last Station“, die unbedingt so aussehen mussten, wie Türbeschläge an einem russischen Bahnhof um 1880 eben aussahen.

Objektmobiliar mit Vergangenheit

Einen ganz anderen Umgang mit alten Materialien hat Nicole Masseit von der Möbelhauerei in Wedding. Sie verarbeitet historische Gegenstände zu neuen Objekten. In Kombination mit modernen Materialien fanden 400 Jahre alte Eichenpfähle des Berliner Stadtschlosses ebenso wie Briccole aus Venedigs Lagunen und andere antike Bauelemente zu neuen Formen.

„Mit dieser Umwandlung entsteht Objektmobiliar, das den Geist und die Schönheit vergangener Zeiten in sich trägt“, sagt Nicole Masseit. Die Ausgewogenheit zwischen den historischen Wurzeln und einem zeitlos eleganten Möbelstück stehe dabei im Vordergrund. „Der Charakter der Objekte wird samt den Erinnerungen, Geschichten und emotionalen Bindungen bewahrt.“

Meist entstehe zuerst die Idee eines Möbels. Erst dann folge die Suche nach dem Material auf Flohmärkten oder im Internet, manchmal gezielt, oft auch rein zufällig. „Gelegentlich bringt der Kunde bereits ein Fund- oder Familienstück mit, das im alltäglichen Leben keinen Platz mehr findet oder in der ursprünglichen Funktion ausgedient hat.“

Abgesehen davon, dass schon in Nicole Masseits Kindheit das Thema Weiterverwertung eine große Rolle gespielt hat, faszinieren sie die Bilder vergangener Zeiten, die beim Anfassen der alten Materialien entstehen. „Die Relikte erzählen Geschichten, die jedes Möbelstück zu einem Unikat machen.“

Und so ist die Suche nach historischen Bauelementen eben etwas für Individualisten. Für Menschen, die erkannt haben, dass es nicht bloß um Einrichtung geht. Sondern um Kulturgut.