An der Karl-Marx-Straße hat ein veganer Imbiss eröffnet - und ein Vekehrschaos ausgelöst. Der Grund sind vor allem die Chefs.
Aber es ist doch nur ein Imbiss! Trotzdem musste die Polizei die Eröffnung des „Dandy Diner“ an der Neuköllner Karl-Marx-Straße am Sonnabend abbrechen. Schon nach zwanzig Minuten schritten die Beamten ein. 800 Besucher hatten sich zum ersten Abend des veganen Imbisses mit einem zwinkernden Schwein im Logo aufgemacht.
„Es war einfach zu voll“, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Etwa 300 Menschen hätten sich in dem Laden aufgehalten, weitere 500 sollen auf der Straße gestanden haben. Die Menge habe den Verkehr beeinträchtigt, man habe nicht mehr für die Sicherheit der Leute sorgen können.
Drinnen zwängten sich die Besucher zwischen DJ-Pult und der rosa gekachelten Theke, tranken Bier aus Pappbechern, hielten ihre Smartphones über die Köpfe, um Fotos für die sozialen Netzwerke zu machen.
Die Party ging nach einer Pause weiter
Die Menge quoll vom Gehsteig auf die Karl-Marx-Straße über, sie drängelte sich auf dem Mittelstreifen. David Roth, Gründer des „Dandy Diner“ sagt, er habe versucht, die Polizisten zu überreden, die Straße für sie zu sperren.
Die Polizei stellte ihn vor die Wahl: Musik aus, oder die Beamten lösen die Veranstaltung auf. „Das war im Endeffekt aber völlig egal“, sagt Roth. Denn wenig später ging die Feier weiter. „Das war die krasseste Eröffnungsparty überhaupt.“
26.000 Follower auf Instagram
Um zu verstehen, warum ein neuer Imbiss mit Burgern ohne Fleisch Neukölln in den Ausnahmezustand versetzt, muss man in die Welt der Mode und der Blogger eintauchen.
Die Gründer des Diner, David Roth und Jakob Haupt, gehören zu den erfolgreichsten Modebloggern Deutschlands.Dandy Diaray MAcher
Ihre Seite „Dandy Diary“ hat in den sozialen Netzwerken 26.000 Follower auf Instagram, knapp 30.000 auf Facebook. Vor der Eröffnung gaben die Imbissgründer Interviews. Die zwei sind ein Phänomen.
Die Veränderungen des Kiezes sind offensichtlich
Die Nachbarschaft des „Dandy Diner“ gilt bislang als eine Gegend, die noch wenig von Gentrifizierung betroffen ist. Im Eingang zu einem Wettbüro stehen am Sonntag zwei Männer, sprechen Türkisch und rauchen Kette.
Daneben ein Herrenfriseur namens Hair Style Gizi, ein Handy-Laden, ein Imbiss mit Holzbänken: Dürüm Döner 3,50 Euro, Curry-Wurst 1,50. Der Verkäufer schält das Fleisch vom Dönerspieß und zuckt mit den Schultern: „Keine Ahnung was da los war“, sagt er. Polizei sei ja immer da, aber diese Menschenmassen? Wegen veganer Burger?
Vom Problembezirk zum Hipstertreff
Die kommenden Veränderungen sind allerdings auch hier schon offenkundig. Auf der anderen Straßenseite deutet ein Pärchen aufgeregt auf die schlichte Marmorfassade und das zwinkernde Schweinchen auf der Eingangstür. Er trägt abgewetzte Jeans, eine Umhängetasche aus Lkw-Plane und heißt Florian. Seit sechs Jahren wohne er hier, und das, was sich vor dem neuen Imbiss abgespielt habe, stehe für den Wandel, den sein Kiez gerade durchmacht. Er deutet auf einen jungen Mann mit Vollbart und Jutebeutel, der gerade im U-Bahneingang verschwindet.
Neukölln wandelt sich vom Problembezirk zum Hipstertreff. „In ein paar Jahren ist das hier das nächste Prenzlauer Berg“, sagt er.
Der Chef über den Ansturm: „Das war zu erwarten“
Roth wundert sich nicht über den Eröffnungsabend. „Das war zu erwarten“, sagt der Modeblogger überaus selbstbewusst. Was 2009 als Uni-Projekt entstand, ist heute eine professionell vermarktete Seite. Hunderttausende Aufrufe verbucht ihr Modeblog im Monat, eine PR-Agentur kümmert sich um Zeitungsanfragen.
Erfolgreich wurden Roth und Haupt mit bissigen Kritiken, wilden Partys und gut dokumentierten Skandälchen: Ein Mode-Porno, ein Elefant auf einer Party, ein Designer-Quartettspiel mit Kategorien wie der Anzahl unbezahlter Praktikanten. 2013 ließ Dandy Diary einen anonymen Mitarbeiter die Modenschau von Dolce & Gabbana in Mailand stürmen. Nackt.
„Erst der Hermannplatz, dann die große weite Welt“
Dandy Diary ist eine besonders extravagante Spielart eines Phänomens, das die Modewelt schon vor Jahren revolutionierte: Modeblogger gehören inzwischen zu den wichtigsten Anlaufstellen von Fashion-Marken und Designern.
Während der zwei Mal jährlich stattfindenden Berliner Fashion Week werden sie längst in der ersten Reihe platziert – neben Prominenten wie der britischen Filmschauspielerin Liz Hurley und vor den Reportern von Tageszeitungen und Society-Zeitschriften. Fotos und Texte verbreiten sie auf ihren Blogs und in sozialen Netzwerken. Die Modeunternehmen unterstützen die Blogger, sponsern Kleidung, Schmuck und Accessoires. So kommen ihre Produkte günstig und direkt beim Endverbraucher an, den Zehntausenden Followern der Blogger.
Und nachdem sie das Modebusiness revolutioniert haben, wollen die selbsternannten Trendveganer jetzt den Fast-Food-Markt umkrempeln. Am Tag nach der Party sorgen Küchenmitarbeiter dafür, dass die Food-Revolution mit der offiziellen Eröffnung am Montag starten kann. Roth will es mit den großen Fast-Food-Ketten aufnehmen: „Erst der Hermannplatz, dann die große weite Welt,“ sagt er.