Für was stehen eigentlich die vergangenen zehn Jahre, die Nuller-Jahre? Gibt es ein spezielles Nuller-Gefühl, Nuller-Musik oder Nuller-Gesichter? Morgenpost Online hat die Mode- und Lifestyletrends der fast vergangenen Dekade zusammengestellt – ein Jahrzehnt zwischen Glamour und Straße.
Während die Realität der Nuller-Jahre vom 11. September bis zur Wirtschaftskrise kaum Platz für Träume ließ, setzten die großen Modelabels in der letzten Dekade verstärkt auf Glamour und den Traum von Hollywood: „In“ war, was Madonna auf der Bühne und Brad Pitt auf dem Rotem Teppich trug oder in welchem Kleidungsstück Paris Hilton von Paparazzi abgelichtet wurde. Die Billigmarke H&M setzte als Erste auf Designer-Kooperationen: Massenproduktion vermischte sich mit Haute Couture – ein bisschen Luxus und Glamour für alle.
Doch nicht nur Hollywood setzte Akzente – anfangs nur zögerlich akzeptiert, gewann das Internet immer mehr an Bedeutung in Sachen Style. In den Nuller-Jahren wurde die Mode durch das World Wide Web der Öffentlichkeit zugänglich. Street-Style-Blogs und Twitter-Nachrichten entfalteten so viel Einfluss, dass selbst Designer wie Marc Jacobs ihre Shows auf Facebook zeigten. Ein Jahrzehnt der Gegensätze in Sachen Mode also, zwischen Glamour und Straße, irgendwie orientierungslos, stets mit dem Coffee-to-go-Becher in der Hand. Exemplarisch dafür steht in diesem Jahrzehnt Kate Moss, die seit den 90ern zur Liga der Topmodels gehört: Von der High Society der Mode, über ihre Affäre mit Pete Doherty – mit Drogen und Exzessen – wieder zurück auf den Modeolymp: Und das alles war in Echtzeit auf YouTube zu verfolgen. Ein bisschen Krise, eine große Prise Glamour: Das war der Mix der Nuller-Jahre. Eingenullt.
Metrosexuell
Bewusst auf sein Äußeres achten, ohne dabei aber seine Männlichkeit zu verlieren: Das ist der schmale Grat, auf dem sich der metrosexuelle Mann ständig bewegt. Einer der Anführer: Fußballstar David Beckham.
Upper Eastside
2008-2009: Ausgangspunkt war die Fernsehserie „Gossip Girl“: Das Leben reicher Schüler in der New Yorker Upper East Side, deren Alltag sich vor allem um Mode, Essstörungen und Liebesdramen dreht, löste einen ganzen Modetrend aus. Die It-Girls der Serie stehen auf voluminöse Frisuren, bauschige Röcke und einen hinterhältigen Blick à la Blaire Waldorf. Lieblingsmarke: Burberry. Lieblingsdesigner: Marc Jacobs.
Burlesque
2005-2008: Aus dem Hause des Schock-Rockers Marilyn Manson kommt eine der kleinen Sensationen: Die Exmuse und Frau des Sängers, Dita von Teese, sorgt mit niveauvollen erotischen Shows für eine Reanimation des Burlesque der 20er-Jahre – unter anderem in einem Videoclip des Unterwäsche-Labels Agent Provocateur zu sehen.
Babe-Style
2002-2004: Rosa Trainingshosen von Juicy Couture und Chihuahuas in pinkfarbenen Täschchen: Keine verkörpert diesen Look besser als Paris Hilton, bekannt vor allem durch Paparazzi-Fotos. Etwas cooler, aber auch nicht wirklich besser: Jessica Simpson. Dank der It-Girls überschwemmen bald Klamotten und Accessoires von Ed Hardy und Von Dutch den Markt. Nicht zu vergessen: die obligatorischen Applikationen mit Swarovski-Steinen.
Comeback der Supermodels
Karl Lagerfeld fotografiert Claudia Schiffer 2009 höchstpersönlich für die neue Kampagne der Champagnermarke Dom Pérignon. Dabei hatte er sie einst als langweilig verschmäht, nachdem er sie in den 90er-Jahren als deutsches Fräuleinwunder gefeiert hatte. Aber auch Eva Herzigova, Cindy Crawford, Naomi Campbell und Kate Moss sind wieder in Werbekampagnen zu sehen.
Super-Girls
Sie sind eine Generation von Frauen, die als Kinder anfangen zu schauspielern, gut aussehen, modeln und noch einen Universitätsabschluss vorweisen können. Bestes Beispiel: Natalie Portman. Sie wird zwischen 1999 und 2005 bekannt durch die „Star-Wars“- Trilogie, hat einen Abschluss in Psychologie und ziert das Cover des neuen „V-Magazins“. Oder Emma Watson, bekannt durch die Harry-Potter-Filme: Seit diesem Jahr modelt sie für Burberry und studiert Literaturwissenschaft.
Rockstar
2008: Alice Dellal ist die Rockgöre einer neuen Generation: zerrissene Strümpfe und kurze Haare. Oder Beth Dito, Frontsängerin von The Gossip und Lagerfeld-Muse. Keine Musikerin stand in dem letzten Jahrzehnt so im Rampenlicht der Mode.
Nu Rave
2006-2007: Quietschbunte T-Shirts, viel zu enge Hosen und an den Füßen Turnschuhe. Angefeuert von den verstörenden Beats des Pariser Trendlabels Ed Banger, das mit dem DJ-Duo Justice dem Elektro wieder Leben einhaucht, entsteht eine neue Jugendbewegung: Möglichst individuell, möglichst bunt, möglichst exzessiv. Labels wie American Apparel erkennen die Zeichen der Zeit und machen heute Millionen mit grellrosa Mode, silbernen Leggins und goldenen Stirnbändern. Der Designer dieser Mode schlechthin ist Gareth Pugh.
Gothic-Manga
2004-2006: Der „Spiegel“ vergleicht Tokio Hotel mit den Beatles. Nicht nur in ganz Deutschland laufen Teenie-Paare gemeinsam zum Friseur, um sich die Haare à la Bill Kaulitz schneiden zu lassen: Der Mix aus Manga und Gothic ist hip. Der Welterfolg „Twilight“ feiert 2009 Premiere in Deutschland und inspiriert zudem zu weißer Schminke und schwarzem Kajal unter den Augen.
80er-Revival
2007-2010: Das größte Revival erleben die 80er-Jahre: Kaum eine Show ohne Kleider mit Schulterpolstern. Und die werden wir auch noch 2010 sehen, zum Beispiel bei Balmain.
Star-Style
Viele Modelabels werden erst auf dem roten Teppich bekannt. Die Stars tragen Kleider unbekannter Designer, und die Fotos gehen um die Welt: So entstehen Trends, und die Publicity für die Labels ist kostenlos. So wurden die Entwürfe von Zac Posen durch Cameron Diaz und Jennifer Lopez berühmt. In Deutschland zeigt seit zehn Jahren die Zeitschrift „InStyle“, wie man am besten den Stil der Stars kopiert. Die Zeitung ist der Top-Umsatzbringer des Burda-Verlags.
Bling Bling
2000-2004: Anfangs eher als Neureichen-Attitüde belächelt, setzt sich das Geprotze der HipHopper wie Missy Elliot, 50 Cent und Pharell Williams bald weltweit durch. Es gilt: Je größer die Uhr, je dicker die Halskette, desto cooler der Mensch dahinter. Übrigens: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy wird wegen seines Hangs zur Selbstdarstellung auch ironisch „président bling-bling“ genannt.
It-Paare
Glamour im Doppelpack – diese Paare verbindet Stilgefühl, Prominenz und natürlich die Liebe: Angelina Jolie und Brad Pitt, Sienna Miller und Jude Law, David und Victoria Beckham.
Modeblogs
Eine der größten Veränderungen in der Mode verdanken wir den Bloggern: Bevor die Modeschauen zu Ende sind, kann man auf ihren Internetseiten schon den neuesten Trend sehen. Seiten wie TheSartorialist, Face Hunter und Ilikemystyle zeigen den Stil der Straße. Auch Designer lassen sich per Mausklick inspirieren.
Grüne Revolution
2005-2010: Nachhaltigkeit bekommt eine neue Bedeutung, als die schärfste Modekritikerin, Suzy Menkes (International Harald Tribune), 2006 verkündet, dass „grün“ das neue „Schwarz“ ist. Von H&M über Armani (er verwendet in seinen Kollektionen zunehmend Recycling-Polyester, Hanf und ökologische Baumwolle) bieten viele Labels eine eigene Öko-Linie an. Der dänische Designer Peter Ingwersen führt die grüne Revolution in der Modebranche an. Er setzt mit seinem 2005 gegründeten Designer-Label Noir von Anfang an auf grüne Stoffe.
Boho-Chic
2004-2006: Prototyp dieses Styles ist die Schauspielerin Sienna Miller mit ihren langen weißen Hippie-Röcken und großen Strohhüten. Ebenfalls typisch für den Boho-Chic ist die Frisur von Penelope Cruz: Die Haare sind am Hinterkopf leicht toupiert, die Wellen fallen lässig auf die Schultern der Schauspielerin.
Online-Shopping
Mode online kaufen: Man verabschiedet sich von haptischen Gefühlen und sucht Schnäppchen anhand von Fotos aus. Zudem gibt es auch endlich fast alle Luxusmarken online...
Gesichter
Von der Brasilianerin Gisele Bündchen bis zur Russin Sasha Pivovarova – faszinierende Gesichter auf den Laufstegen und Titelseiten: Kate Moss, Lily Donaldson, Daria Werbowy, Gemma Ward, Natalia Vodianova, Agyness Deyn, Lily Cole, Lara Stone.
Modekooperationen
Die erste Designer-Kooperation findet 2004 zwischen Karl Lagerfeld und H&M statt, viele folgen: Raf Simons für Eastpak, Hussein Chalayan für Puma, Stella McCartney für Adidas…
Dior Homme
2004-2006: Hedi Slimane als Chefdesigner bei Dior Homme bringt durch seine schmalen Schnitte und Silhouetten sogar Karl Lagerfeld dazu abzunehmen, um in einen Dior-Anzug zu passen.