Früher versteckt, heute der Welt entgegengereckt: Mit den neuen Sandalen-Modellen kommen auch die Füße aus der Deckung.
Der neue „Sex and the City“-Film mag seinen Zuschauern so ziemlich jedes Produkt vorstellen, das man jetzt angeblich haben muss. Einen Trend hat Stylistin Patricia Field, die den vier Protagonistinnen im zweiten Teil des Erfolgsfilms im Minutentakt wechselnde, an die Village People erinnernde Kostümierungen verordnet hat, jedoch sträflich vernachlässigt: Sie zeigt viel zu selten nackte Füße.
Stattdessen lässt sie Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte wie gewohnt in High Heels von Christian Louboutin und Jimmy Choo umherstöckeln, unter anderem über das Kopfsteinpflaster eines Souks in Abu Dhabi. Es ist nicht der einzige Punkt, an dem deutlich wird, wie wenig zeitgemäß der Film ist, gleichzeitig aber ein nicht unwesentlicher Indikator dafür, dass dem Zuschauer in „SATC 2“ eben gerade kein schöneres Leben, sondern die Spießerhölle vorgeführt wird, wenn auch in bonbonfarbenem Gewand.
Verlässt man das Kino, ist man deshalb auch froh wie selten, dass es draußen vor der Tür ganz anders aussieht: Es ist Sommer geworden, und kaum eine Frau weit und breit, die sich, die Füße in Absatzschuhe gepresst, derart durch die Straßen quälte. Stattdessen befreite Füße, wohin das Auge blickt – in Sandalen, Sandalen, Sandalen. Die Vielfalt der luftigen Schuhe gleicht inzwischen einem Schwarm der prächtigsten Schmetterlinge.
War der Sandalen-Markt in Deutschland bis in die 90er-Jahre noch Herstellern wie Birkenstock, Berkemann oder Dr. Scholl vorbehalten, die einen Kundenkreis bedienten, der sich vor allem um seine Gesundheit und die von Mutter Erde sorgte, hat sich dieses Bild inzwischen geändert. Die ehemaligen Gesundheits- oder Jesuslatschen sind längst zum Trend erhoben; in Birkenstocks meistverkaufter Zehensandale „Gizeh“, erhältlich in Lack- und Metallicleder, sieht man nicht nur Hollywoodstars und Birkenstock-Gastdesignerin Heidi Klum, sondern die halbe Welt.
Flip-Flops, Schuhe für männliche Fuß-Emanzen
Auch Flip-Flops, ehemals als Badelatschen bekannt und hauptsächlich zur Fußpilz-Prävention in öffentlichen Schwimmbädern und Saunen eingesetzt, haben spätestens seit der Jahrtausendwende den Sprung vom Zweckgegenstand zum modischen Accessoire geschafft. Die schmatzenden Zehensandalen, milliardenfach an modebewusste Männer verkauft und längst nicht mehr nur aus Kunststoff, sondern in allen erdenklichen Materialien und Farben erhältlich, haben auch den modernen Mann zur Fuß-Emanzipation gebracht. Wer nicht bereit oder noch nicht gebrechlich genug ist für die Trekkingsandale, den Sandalen-Bestseller der Nullerjahre, in seiner Umstrittenheit der Birkenstock-Sandale anno 1980 vergleichbar, muss auch als Mann Zehen zeigen – die Kombination mit Socken erlauben Flip-Flops schon wegen ihrer technischen Beschaffenheit nicht.
Die zahlreichen Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahre scheinen nun auch Luxusmarken mit dem Sandalen-Virus infiziert zu haben. In deren Accessoires-Kollektionen für Frühjahr und Sommer spielt das leichte Schuhwerk mittlerweile eine tragende Rolle – auch schon deshalb, weil sich mit jeder Erweiterung des lohnenden Geschäfts mit modischem Zubehör noch mehr Geld verdienen lässt. Preise von 800 Euro für eine Römersandale von Balenciaga oder ein aus drei strassbesetzten Lederriemen bestehendes Modell von Giuseppe Zanotti für knapp 1000 Euro werden jedenfalls ohne Murren akzeptiert.
„Unsere Kunden sind bereit, hohe Preise für luxuriös verarbeitete Sandalen zu zahlen“, sagt Susanne Botschen, Inhaberin der , deren große Auswahl an Luxus-Sandalen sich sehr gut verkauft. Botschen erklärt sich den Run auf die Designer-Sandalen mit dem dem neuen Trend zu schlichter Eleganz, der nun eben auch in der warmen Jahreszeit die High Heels verdränge. „Dahinter steckt aber auch ein praktischer Gedanke: Die Frauen haben einfach begriffen, dass man einen flachen Schuh häufiger und länger tragen kann als einen Stiletto mit Zwölf-Zentimeter-Absatz.“ Besonders beliebt seien üppig mit Metallketten, Blumen, Schleifen oder Schmucksteinen verzierte Modelle, die den Blick auf den Fuß lenkten und den Schuh für andere Frauen als „Statement-Sandale“ erkennbar machten.
Perfekt pedikürte Füße sind inzwischen ein Statussymbol
Auch die Kosmetikindustrie hat sich mittlerweile bis zum untersten Ende des menschlichen Körpers vorgearbeitet – zur kostbaren Sandale gehört schließlich auch ein köstlicher Fuß. In Drogeriemärkten, wo sich noch vor zehn Jahren Bimsstein, Hornhauthobel und eine Dose Melkfett in einer Regalecke Gute Nacht sagten, findet man heute, prominent platziert, alles für das Foot-Spa im eigenen Zuhause. „Wie gepflegte Hände sind inzwischen auch perfekt pedikürte Füße ein Statussymbol“, sagt Tanja Schillner, Inhaberin des „Nail & Foot Spa“ der auf Hand- und Fußkosmetik spezialisierten Marke Alessandro in Berlin. Um hundert Euro gäben ihre Kunden, darunter immer mehr Männer, monatlich für Hände und Füße aus, schätzt Tanja Schillner. Früher seien die Frauen alle paar Monate zur Fußpflege gekommen, wenn überhaupt. Heute seien sie alle drei bis vier Wochen da.
Miuccia Prada war eine der Ersten, die dem Prinzip „It-Shoe“ auch für Sandalen Gültigkeit verschaffte. Sie dekorierte schlichte lederne Zehensandalen mit auffälligen Schmucksteinen; Vorbild waren die berühmten Sandalen aus Capri mit der aus vielen dünnen Lagen gearbeiteten Ledersohle, die Moderedakteurinnen noch vor einigen Jahren aus Italien importieren mussten, weil man Vergleichbares nirgendwo sonst bekam.
Auch Diana Vreeland, die außergewöhnlichste und einfallsreichste aller „Vogue“-Chefredakteurinnen, schwärmt in ihrer Autobiografie von dieser Sandale, in der man „wie in Satin gehüllt“ gehe. Vreeland hatte sie sich in den 40er-Jahren in New York anfertigen lassen, nach einem Vorbild, das sie in den Ruinen von Pompeji an einem Sklaven gesehen hatte, vom Vulkan getötet während des Liebesakts mit seiner Herrin.
In Amerika war Vreelands Fuß-KK damals nicht nur eine Sensation, sondern auch ein Gesetzesbruch: Gesundheitsvorschriften untersagten das Tragen von Schuhen am nackten Fuß. In Europa galten unverhüllte Füße ebenfalls lange als unschicklich; das Tragen von Strümpfen war selbst im Sommer das Mindeste, was eine Frau tun konnte, um ihre Ehre nicht zu gefährden.
Über die untergegangene Ehre der Füße dürften sich unterdessen besonders die Fußfetischisten freuen, immerhin die größte Gruppe unter den Objektfixierten. Sie können ihre Fantasien, zum Beispiel die des „Shrimping“, des intensiven Saugens an weiblichen Zehen, heute auf offener Straße befeuern.