Sie ist Spaniens bestaussehender Exportschlager: Penélope Cruz hat in Hollywood inzwischen genauso viel Erfolg wie zu Hause – obwohl sie ein wenig störrisch ist. Morgenpost Online sprach mit der 34-Jährigen über Träume, temperamentvolle Charaktere und ihren berühmten Kuss mit Scarlett Johansson.
Fräulein Cruz ist ein bisschen müde. Schließlich sitzt sie schon den ganzen Nachmittag in einem fensterlosen Konferenzraum im Souterrain von Barcelonas teuerstem Hotel und gibt Interviews zu Woody Allens neuem Film "Vicky Cristina Barcelona". Draußen scheint die Sonne, ein paar Leute liegen sogar am Strand. Die Wallemähne frisch geföhnt, um die Augen erste Fältchen, noch kein Botox in Sicht.
"Bloß keine Fragen zu Javier Bardem!", hatte die Pressebetreuerin gewarnt. Der spanische Oscar-Preisträger spielt in der Liebeskomödie ihren Ex-Mann. Nach dem Dreh wurde aus Cruz und Bardem ein Paar. Seine Vorgänger: Matthew McConaughey und Tom Cruise. Das Englisch der 34-jährigen Schauspielerin klingt trotzdem sehr spanisch. Penelope Cruz lässt sich Zeit, bevor die Antworten ihre perfekt geschwungenen Lippen verlassen. Sie ist auf der Hut.
Morgenpost Online: Als ich am Flughafen ankam, fiel mein Blick als Erstes auf eine riesige Werbetafel der Modefirma Mango - mit Ihrem Konterfei. Gewöhnt man sich daran, sich selbst in Überlebensgröße zu sehen, wenn man suf die Straße geht?
Penelope Cruz: Man lernt, die Bilder anders zu betrachten. Du checkst, ob das Licht stimmt, die Perspektive und so weiter. Man betrachtet das mit einem kühleren, prüfenden Blick. Schließlich bist du Teil des Kreativteams und willst, dass das Ergebnis gut aussieht. Im Grunde nimmst du dich selbst gar nicht wahr.
Morgenpost Online: In "Vicky Cristina Barcelona" reisen zwei junge Amerikanerinnen nach Barcelona und beider Leben wird auf den Kopf gestellt. Glauben Sie, dass Barcelona tatsächlich eine ganz besondere Magie hat?
Cruz: Nein. Ich liebe Barcelona, aber ich glaube, Woody hätte diesen Film auch an ein paar anderen Orten drehen können. Ich bin natürlich froh, dass er den Film hier gedreht hat. Schließlich ist Barcelona wunderschön, und Spanien ist nun mal meine Heimat. Woody liebt die Stadt und hat sich deswegen dafür entschieden, die Geschichte hier spielen zu lassen
Morgenpost Online: Finden Sie, es handelt sich um einen sehr amerikanischen Blick auf Barcelona?
Cruz: Ich glaube, es ist eben sein Blick auf eine der vielen Seiten Barcelonas. Ich habe hier auch "Alles über meine Mutter" mit Pedro Almodóvar gemacht, und wir haben in einem völlig anderen Barcelona gedreht. Es ist wie in jeder interessanten Stadt: Sie hat viele unterschiedliche Gesichter.
Morgenpost Online: Mit Almodóvar haben Sie bereits vier Filme gedreht. Über ihn haben Sie mal gesagt, Sie würden ihm zu hundert Prozent vertrauen. "Vicky Cristina Barcelona" war Ihr erster Film mit Woody Allen. Haben Sie ihm genauso vertraut?
Cruz: Ja, weil auch er ein Genie ist. Trotzdem sind die beiden so unterschiedlich. Auch die Art, wie sie arbeiten. Pedro liebt es, mehrere Monate mit Proben zu verbringen, Woody probt überhaupt nicht. Aber was sie gemeinsam haben, ist, dass sie beide Genies sind, und davon gibt es nicht viele auf der Welt. Sich in ihre Hände begeben zu dürfen ist ein großes Privileg.
Morgenpost Online: Und was macht sie zu Genies?
Cruz: Die Kombination aus Veranlagung, Genen und ihrer selbst? Ich weiß es nicht. Sie sind beide keine Konformisten, sie wollen ständig lernen und sind sehr neugierig auf das Leben.
Morgenpost Online: Sie spielen eine sehr temperamentvolle Frau, die manchmal außer Kontrolle gerät. Sie selbst bezeichnen sich als "Kontrollfreak".
Cruz: Ich liebe solche Charaktere. Sie ist die extremste Persönlichkeit, die ich bisher gespielt habe. So instabil und emotional. Aber als ich das Buch gelesen habe, war ich doch neugierig auf sie. Ich wollte verstehen, was ihr passiert ist, dass sie sich so benimmt. Je komplexer die Persönlichkeit der Rolle, desto mehr Spaß macht es, sie zu spielen. Es ist dann ein Abenteuer, diese Person zu erschaffen.
Morgenpost Online: Wenn Sie eine solche Rolle spielen, knüpfen Sie dann an einen Teil Ihrer Persönlichkeit an, oder ist das so weit weg, dass Sie sich das alles ausdenken müssen?
Cruz: Die Rolle spielt sich selbst. Ich muss nicht so sein wie sie. Das ist schwer zu erklären, weil ich nicht das Gefühl habe, wie sie sein zu müssen. Ich will auch nicht über sie urteilen. Wahrscheinlich sind immer auch Anteile von mir dabei, aber ich packe die da nicht bewusst hinein. Ich versuche, diese Person zu verstehen, die ja bereits existiert. Sie wurde geschrieben und ist auf eine gewisse Weise schon lebendig. Ich will mich nicht selbst spielen.
Morgenpost Online: Haben Sie schon mal in der Öffentlichkeit eine Szene gemacht, wie das María Elena im Film tut?
Cruz: (schweigt ein paar Sekunden) Meine Mutter sagt, dass ich, als ich sechs oder sieben war, sehr temperamentvoll war und meine Eltern auf der Straße angebrüllt habe, mich auf den Boden geworfen habe, um mich getreten habe. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran.
Morgenpost Online: Mögen Sie María Elena?
Cruz: Ja. Ich mag sie, weil Woody Allen mir eine so tolle Rolle gegeben hat. Deswegen werde ich immer gute Erinnerungen an María Elena haben. Für mich drehten wir ein Drama, keine Komödie. Hinterher war das sehr lustig, als wir den Film sahen und feststellten, wie komisch der Film ist, wie viel Spaß man mit ihm haben kann.
Morgenpost Online: Ist es für Sie einfacher, jemanden zu spielen, den Sie mögen oder jemanden, der Ihnen fremd ist?
Cruz: Ich glaube, das spielt keine Rolle. Wenn man jemanden spielt, der sehr gemein oder sehr verkorkst ist, will man diese Person zwar nicht sein, und man will sie auch ganz sicher nicht in seinem Leben haben, aber es kann eine der besten Erfahrungen sein, weil man beginnt zu verstehen, wie so jemand tickt.
Morgenpost Online: Es gibt eine Szene, in der Sie und Scarlett Johansson sich küssen. War das eine besondere Situation?
Cruz: (etwas schnippisch) Nein.
Morgenpost Online: Macht es einen Unterschied, ob man eine Frau oder einen Mann küsst?
Cruz: Was an diesem Tag am Set passierte, war Folgendes: Woody schenkte uns überhaupt keine Aufmerksamkeit, weil er einen neuen Fleck auf seiner Hand entdeckt hatte. Er starrte die ganze Zeit auf seine Hand und brach schließlich den Dreh ab, um zum Arzt zu gehen. Wir saßen also da und warteten, bis er zurückkam, dann haben wir die Szene gedreht. Es ging an diesem Tag eigentlich nur um diesen Fleck.
Morgenpost Online: Aber macht es einen Unterschied?
Cruz: Ich habe zu dieser Szene nichts mehr zu sagen. (Spricht aber dann doch weiter:) Scarlett sagte, ich hätte weiche Lippen und dass es gut sei, dass ich keinen Bart habe.
Morgenpost Online: Die beiden Hauptpersonen im Film stehen für zwei unterschiedliche Beziehungstypen. Sind Sie ruhig und verlässlich wie Vicky oder leidenschaftlich wie Cristina?
Cruz: Ich beantworte solche Interviewfragen nicht. Weil ich sie mir selbst nicht stelle. Es spielt keine Rolle, was ich denke, es geht nur darum, was die Frau, die ich spiele, denkt und fühlt. Es geht nicht darum, ob ich damit einverstanden bin oder nicht.
Morgenpost Online: Unterscheiden sich amerikanische und spanische Frauen?
Cruz: Entschuldigen Sie, dass ich schon wieder nicht antworte, aber das wäre so eine Verallgemeinerung! Selbst die beiden Amerikanerinnen im Film sind so verschieden - wie also wollen Sie sagen, dass alle amerikanischen Frauen sich von Spanierinnen unterscheiden? Ich hasse Verallgemeinerungen. Egal ob es um Männer und Frauen oder Nationalitäten geht.
Morgenpost Online: Das ist doch eine Antwort.
Cruz: Stimmt.
Morgenpost Online: Haben Sie Stilvorbilder?
Cruz: Meine Mutter ist sehr elegant und hat ihr ganzes Leben sehr auf sich geachtet. Dabei hat sie immer so hart gearbeitet. Für mich war genau das sehr attraktiv. Ich habe meine Mutter wirklich hart arbeiten sehen. Immer. Sie ist so stark. Und sie hat nicht nur so getan. Sie war immer ein Vorbild für mich.
Morgenpost Online: Sie drehen gerade ein Musical, "Nine". Gehören Sie zu den Menschen, die sonst nur unter der Dusche oder beim Kochen singen?
Cruz: (lacht) Ich singe unter der Dusche und habe eine Karaokemaschine. Und jetzt darf ich sogar in einem Film singen!
Morgenpost Online: Ist es schwierig, vor Publikum zu singen?
Cruz: Ja, das ist gruselig. Weil man sich sehr verletzbar fühlt. Man kann nichts verstecken. Eine ganz erstaunliche Erfahrung.
Morgenpost Online: Fühlen Sie sich als singende Schauspielerin verletzbarer denn als Nur-Schauspielerin?
Cruz: Das ist wirklich anders. Singen ist neu für mich.
Morgenpost Online: Sie haben mal gesagt, dass Sie sehr viel schlafen.
Cruz: Ich versuche es. Weil es mir besser geht, wenn ich viel schlafe. Manchmal, wenn ich drehe, ist das wirklich hart.
Morgenpost Online: Brauchen Sie komplette Dunkelheit, Stille oder spezielle Bedingungen, um schlafen zu können?
Cruz: Ich kann überall schlafen. Sogar im Flugzeug. Und darüber bin ich wirklich froh, weil ich so viel unterwegs bin.
Morgenpost Online: Träumen Sie?
Cruz: Jeder träumt doch!
Morgenpost Online: Aber die meisten Menschen können sich nicht an ihre Träume erinnern.
Cruz: Wirklich?
Morgenpost Online: Ja.
Cruz: Ich erinnere mich eigentlich immer an meine Träume. Manchmal filme ich im Traum das, was ich gerade träume. Ich bin von Film besessen. Und diese Besessenheit prägt mein Leben. Wenn ich träume, weiß ich immer, aus welcher Perspektive ich das Geschehen gerade betrachte. Ob das mein Blickwinkel ist oder der einer anderen Person in diesem Traum. Und ich sehe Kameraeinstellungen. Manchmal sehe ich so wunderschöne Einstellungen und Bilder, dass ich mir wünsche, ich könnte das eines Tages in einem Film unterbringen. Leider vergesse ich all das nach ein paar Stunden wieder. Es ist wirklich seltsam, dass ich in meinem Kopf meine eigenen Träume zu einem Film verarbeite, während ich träume. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich so viel Schlaf brauche! (lacht)
Morgenpost Online: Wenn Sie bereits im Traum Filme drehen, wie sieht es dann mit der Wirklichkeit aus? Würden Sie gern selbst Regie führen?
Cruz: Ja. Aber nicht jetzt. Später mal. In der Zukunft.
Morgenpost Online: Wo ist Ihr Zuhause?
Cruz: In Spanien. Weil hier meine Familie und meine Freunde leben. Weil ich hier aufgewachsen bin. Ich verbringe natürlich auch Zeit in L.A. oder New York, aber meine Heimat ist Spanien.
Morgenpost Online: Was brauchen Sie, um sich zu Hause zu fühlen?
Cruz: Meine Familie. Und Essen. Spanisches Essen.
Morgenpost Online: Können Sie denn gut kochen?
Cruz: Nein.
Morgenpost Online: Mussten Sie nicht für "Women on Top" und "Volver" kochen lernen?
Cruz: Ich habe gelernt, wie man Gemüse richtig schneidet. So sah es wenigstens so aus, als könnte ich richtig gut kochen.