München. Der Kommissar rutscht in der Blutlache aus. Ein Ehepaar ist im Schlafzimmer hingerichtet worden, der Täter, nun ja, ist der Weihnachtsmann, und reingelassen hat ihn die kleine Tochter des Paars: Wenn man ihm nicht trauen kann, wem dann?
Das Kind überlebt das Massaker, der Mörder hat es zuvor betäubt. Mit diesem schaurigen Szenario steigen die Münchner Ermittler Batic und Leitmayr in ihren 80. „Tatort“-Fall ein, und die Drohung im Titel „Wir kriegen euch alle“ legt den Verdacht nahe, dass es bei zwei Leichen nicht bleiben wird.
Smartes Spielzeug spioniert Kind aus
Die Autoren Michael Comtesse und Michael Proehl machen beim Motiv fürs Blutbad keine Umwege: Der Killer im Kostüm hat es auf Menschen abgesehen, von denen er sicher ist, dass sie Kinder missbrauchen. Als trojanisches Pferd im Kinderzimmer sitzt eine smarte, sprechende Puppe, die der Täter per Handy fernsteuert, um die Kleinen auszufragen.
24 davon, verschenkt auf Münchner Spielplätzen, sind im Umlauf, da müssen sich die alten Recken Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) gewaltig ranhalten, um den nächsten Mord zu verhindern. Die Spur führt, zugegebenermaßen nicht fürchterlich originell erdacht, zu einem Verein für Missbrauchsopfer, in dem die betroffenen Männer auch schon mal ihre Gewaltfantasien artikulieren.
Regisseur Sven Bohse gewährt dem Zuschauer in dieser finsteren Geschichte nur selten Chancen zum Durchatmen. Es bleibt bei den eher leisen Humor-Ritualen der Münchner Buddys, die bei Räuberleitern so langsam an ihre körperlichen Grenzen kommen.
„Tatort“ trumpft mit überraschendem Finale auf
Bohse fixiert sich aber in seiner klugen Inszenierung nicht auf den Kindesmissbrauch, sondern eher auf den vermutlichen Rächerkreis, der selbst aus seiner Opferrolle nicht herauskommt. Leonard Carow sticht als von Albträumen gebeutelter Bursche aus der Truppe heraus, auch Routinier Martin Feifel liefert ein bedrückendes Porträt ab, Jannik Schümann punktet als schnöseliger Junior eines reichen Daddys, der ihn fortwährend demütigt.
Einer platten Abrechnung mit der Selbstjustiz als untauglichem Mittel zur Gerechtigkeitsherstellung versagt sich Bohse, es wird deutlich, ohne dass er den Zeigefinger heben muss. Mit Geschick verknüpft er im letzten Drittel drei Handlungsstränge, die parallel in ein durchaus spannendes Finale fließen – das dann noch mit einer dicken Überraschung auftrumpfen kann.
Und der vielleicht wichtigste Hinweis für alle besorgten Eltern: Die gruseligen Spionage-Puppen, die uns der „Tatort“ hier vorführt, sind in Deutschland schnell verboten worden.
Fazit: Gehobener Krimi-Standard, klug inszeniert und gut gespielt.
ARD, Sonntag, 2. Dezember, 20.15 Uhr