Pionierarbeit

Kurzfilm-Serie zeigt Jerusalem aus 360-Grad-Perspektive

| Lesedauer: 3 Minuten
Karina Krawczyk
Dani Levy mit seinem Kameramann Filip Zumbrunn, der die 360-Grad-Kamera auf dem Kopf trägt.

Dani Levy mit seinem Kameramann Filip Zumbrunn, der die 360-Grad-Kamera auf dem Kopf trägt.

Foto: David Donschen / ZDF und David Donschen

Der Regisseur Dani Levy dreht in Jerusalem eine Kurzfilm-Serie mit einer 360-Grad-Kamera. Die Produktion ist auf einer App zu sehen.

Ein israelischer Soldat befiehlt einer jungen Palästinenserin, aus dem Bus zu steigen. Ausweiskontrolle. Dann lädt er sie zu seiner Geburtstagsparty ein. Ein Comedian zieht auf offener Straße über Israel her, Passanten bleiben stehen, widersprechen. In Dani Levys Kurzfilm-Serie, die der Regisseur für das Jüdische Museum Berlin und den Kulturkanal Arte gedreht hat, liegen Witz und Tragödie eng zusammen.

Zu sehen sind die Filme aber nicht im Fernsehen, sondern über die Arte360VR-App auf Smartphones und Tablets. Das Besondere: Die Filme sind als Virtual-Reality-Videos (VR) in 360 Grad gefilmt.

360-Grad-Kamera zeigt was hinter ihr passiert

So taucht man mitten hinein in die filmische Welt, als wäre man selbst Teil der Geschichte. Mehr noch, in VR-Videos lässt sich das Geschehen verfolgen, wie es einem gefällt: Die 360-Grad-Kamera zeigt nicht bloß den ausgewählten Ausschnitt, sondern eben auch, was rechts, links und hinter ihr passiert. Am besten geht das mit sogenannten VR-Brillen, in die das Smartphone eingehängt wird und die das Bild direkt vor den Augen abspielen.

Das ist ein völlig neues Seherlebnis, schwärmen alle, die es ausprobiert und ohne Schwindelanfall überlebt haben. Der Sogwirkung kann sich niemand entziehen. Kay Meseberg, Leiter der „Mission Innovation“ bei Arte, die diese App entwickelt hat, sieht in der brandneuen Technik deshalb das „Fernsehen von Übermorgen“. Bisher vor allem bei Dokumentarfilmen eingesetzt, wurde nun mit Dani Levy erstmals ein Kinofilm-Regisseur beauftragt, eine fiktionale Kurzfilm-Miniserie zu realisieren.

Kurzfilme sind überraschend politisch

„Glaube. Liebe. Hoffnung. Angst“ heißen die vier Geschichten, die in Jerusalem spielen. Den komödiantischen Blick, den der Schweizer Regisseur schon in seiner bekanntesten Komödie „Alles auf Zucker“ bewies, behält er auch in den neuen Videos. Dazu sind die Filme überraschend politisch: In einer Stadt „zwischen Traum und Trauma lässt sich Politik nie ausblenden“, erläutert er.

Entstanden in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Berlin, nehmen sie uns ganz unmittelbar mit auf die Reise: In die Yafo Street, eine belebte Einkaufsstraße an einen Checkpoint im Osten der Stadt, wo wir mit an dem Tisch sitzen, wenn ein israelischer Soldat eine Palästinenserin befragt. Auf die Dächer der Altstadt. Und schließlich in eine große Bauruine, die einmal das Parlament des ersten palästinensischen Staates werden sollte, und nun allein von Tauben und Geistern behaust wird.

Produktion kostete insgesamt 320 000 Euro

Dass es ausgerechnet diese vier Geschichten sind, sei Zufall, erklärt Levy, der auch das Drehbuch voller unerwarteter Wendungen schrieb. Geplant war aber von Beginn an, zwei der fünf bis acht Minuten langen Filme aus der Perspektive der Palästinenser und zwei aus der von Israelis zu erzählen. „Obwohl es sehr schwierig war, wegen des Anti-Normalisierungs-Gebotes palästinensische Schauspieler zu finden.“

Auch technisch sei die etwa 320 000 Euro teure Produktion sehr herausfordernd gewesen. Denn die neue Technik verlange auch neue Formen: Um nicht selbst im Bild zu erscheinen, musste der Kameramann die 360-Grad-Kamera auf dem Kopf tragen – festgemacht an einem selbst gebasteltem Gestell. Und natürlich durfte er sich – um mit den Protagonisten und Zuschauern auf Augenhöhe zu bleiben – nur in der Hocke fortbewegen.

• Zu sehen sind die vier Folgen ab sofort noch bis zum 17. Juni in der Arte360 VR-App.