Als Berliner muss man sich schon immer mal wieder irritiert führen von dieser fünften Staffel der US-Erfolgsserie „Homeland“. Wir sehen etwa Saul Berenson das Restaurant Grosz im ehemaligen Grandhotel am Kurfürstendamm verlassen.
Er wendet sich nach links, Richtung Wittenbergplatz. Nur ist er in der nächsten Einstellung nicht dort zu sehen, sondern auf dem Gendarmenmarkt, als hätte er sich mal eben da hingebeamt. Wer den Berliner Berufsverkehr kennt, würde sich solche Mobilitätskunststücke von Herzen wünschen.
Nun läuft sie also auch im freien Fernsehen, jene sagenumwobene fünfte Staffel, deren Dreharbeiten schon in nahezu allen Details durch die Zeitungen gingen. Dass „Homeland“ irgendwann einmal in Deutschlands Hauptstadt spielen würde, liegt nicht nur an der hiesigen Filmförderung.
Berlin hat viel mit der Logik zu tun, die den Motor dieser Serie bildet. Die harten Gegensätze, das Nebeneinander von Plattenbau und Gründerzeit, die Teilungs- und Spionagegeschichte der Stadt: Man könnte sich keine bessere Kulisse denken für eine Erzählung, die von genau solchen Kontrasten lebt.
„Homeland“ geizt nicht mit Berlin-Ansichten
Die Geschichte um die bipolare Geheimdienstagentin Carrie Mathison (Claire Danes) handelt im Kern von der Paranoia, die ein großes Stück unseres Zeitgeistes ausmacht. Darin liegt ihre Aktualität – wie auch in einer bemerkenswerten Nähe zur Nachrichtenlage, die immer schon ein Markenzeichen von „Homeland“ war.
Die Flüchtlingskrise, die Snowden-Affäre, die Lage in Syrien – all das ist Thema in der fünften Staffel und wurde noch während ihrer Entstehung in die Drehbücher eingearbeitet. Sat.1 hat sie nun – wenn auch zu recht später Sendezeit – in sein Programm gehoben, nachdem die vierte Staffel unter mäßiger Publikumsbeteiligung auf Kabel 1 versendet worden ist. Vom Berlin-Faktor scheint man sich also einiges zu versprechen, und mit Ansichten der Stadt geizt „Homeland“ in der fünften Staffel wirklich nicht.
Carrie Mathison als Mutti in Charlottenburg
Sie beginnt, auch das ein Leitmotiv der Serie, mit einer religiösen Szene: dem Abendmahl in der Herz-Jesu-Kirche an der Fehrbelliner Straße. Zwei Jahre sind für Carrie Mathison seit ihrem Einsatz in Pakistan vergangen. Sie hat versucht, ihre Zeit bei der CIA hinter sich zu lassen und lebt mit ihrem Freund und Kollegen Jonas (Alexander Fehling) und Kind in Charlottenburg. Es ist eine neue, für den Zuschauer überraschende Rolle der Hauptdarstellerin, wie sie da mit Kindersitz auf dem Fahrrad durch Charlottenburg fährt und ihre Zeit an Schulgebäuden und auf Spielplätzen verbringt.
Aber wir ahnen schon: Dabei wird es nicht bleiben. Carrie arbeitet als Sicherheitschefin für die gemeinnützige Düring Foundation. Deren Chef Otto Düring (Sebastian Koch) informiert sie über seinen Plan, ein syrisches Flüchtlingscamp im Libanon aufzusuchen und beauftragt sie, die Risiken zu minimieren. Es ist eine sehr gefährliche Reise und eine Aufgabe, die Carrie genau in das Leben zurückwerfen wird, dem sie eigentlich entfliehen wollte.
Sie wohnen in Charlottenburg: Carrie (Claire Danes) und ihr deutscher Freund Jonas (Alexander Fehling) SAT.1
Sie hält Rücksprache mit der Berliner Stationschefin der CIA und bittet sie um einen Lagebericht zur aktuellen Situation im Libanon. Die bietet ihr kurzerhand ein Gegengeschäft an: Sie will Carrie nur mit Informationen versorgen, wenn diese im Gegenzug Interna aus der Düring Foundation ausplaudert.
Da sind sie wieder, die Dämonen der Vergangenheit, die Carrie Mathison noch immer zuverlässig eingeholt haben: Konspiration, verdeckte Rollen, falsche Identitäten, die Versuchung des Verrats. Sie nimmt auch Kontakt mit einer Führungspersönlichkeit der Hisbollah auf, die das Camp im Libanon kontrolliert.
Hilfst du mir, helf ich dir
In Berlin funktioniert so etwas so: Man geht in eine Moschee, wo der Imam bestreitet, den Hisbollah-Führer überhaupt zu kennen. Ein paar Tage später wird man dann auf offener Straße in einen Lieferwagen gezerrt und in die dunklen Gefilde des Untergrunds verschleppt, wo man dann auf die gesuchte Person trifft.
Das passt alles natürlich nicht so recht zusammen mit dem bürgerlichen Leben einer Patchwork-Mutter, die geregelte Arbeitszeiten und Familienrituale für wichtig hält. Aber es passt sehr gut zusammen mit dem zerrissenen Charakter von Carrie Mathison, die ihr Leben immer nur führte, um daraus zu fliehen.
Er darf auch nicht fehlen: Sebastian Koch spielt den Berliner Chef von Claire Danes SAT.1
Ein zweiter Handlungsstrang erzählt von zwei jungen Hackern, denen es durch Zufall gelingt, in die Rechner der CIA einzudringen. Eines davon enthüllt illegale Überwachungsaktivitäten der Amerikaner im Auftrag der deutschen Regierung.
Zu den lustigsten Szenen der ersten Folge gehört die Situation, als Saul Berenson und seine Kollegin das den deutschen Geheimdienstlern, gespielt von Nina Hoss und Martin Wuttke, beibringen müssen. Sie spielt im warmen Licht eines gehobenen Restaurants, doch die Atmosphäre könnte frostiger nicht sein.
Die sechste Staffel spielt nicht mehr in Berlin
Die fünfte Staffel bringt mit solidem Plot, guten Figurenzeichnungen und verlässlichen Spannungsbögen wieder alles zum Vorschein, was „Homeland“ zu einer der erfolgreichsten Serien der letzten Jahre hat werden lassen: die Friktionen mit dem radikalen Islam, die kulturellen Vorurteile des Westens, die Schattenseiten der amerikanischen Interventionspolitik in den Krisengebieten der Welt. Die sechste Staffel wird allerdings nicht mehr in Berlin, sondern wieder im „Homeland“ von Carrie Mathison spielen, in den USA.
„Homeland“ Sat.1, ab 3.4. 12 Teile immer sonntags, 23.05 Uhr, à zwei Doppelfolgen