Das deutsch-amerikanische Verhältnis kriselt, die transatlantische Brücke schwankt. Das Online-Satiremagazin „Der Postillon“ brachte es gestern auf den Punkt mit der Behauptung, US-Präsident Barack Obama habe Angela Merkel zum Geburtstag ein Handy geschenkt. Exakt so verhält es sich mit dem Klima zwischen Berlin und Washington: Man redet miteinander und hält die Regeln der Höflichkeit ein. Andererseits ist das Vertrauen verschwunden, das Lächeln auf den Mienen eher zwanghaft und eingefroren, zumindest auf deutscher Seite.
Denn wer lässt sich schon gern ausspionieren? Und muss sich, wer ausspioniert wurde, nicht immer auch fragen, in welchem Umfang dies geschah? Kanzleramtschef und Merkel-Intimus Peter Altmaier (CDU) musste bei Maybrit Illner in dieser Frage wackeren Zweckoptimismus bemühen. „Es hat viele Vorfälle gegeben“, sagte er, und man wolle mit „den amerikanischen Partnern“ auch darüber reden – doch gebe es keine Indizien dafür, dass eine Totalüberwachung stattgefunden habe: „Totalüberwachung bedeutet, dass jedwede Kommunikation erfasst wird – dafür haben wir keine Beweise.“
Kornblum kritisiert eigene Geheimdienste
Man bemerkte deutlich das Dilemma, in dem Altmaier als Mitglied der Bundesregierung steckt: Einerseits eine klare Sprache zu sprechen im Überwachungsskandal, andererseits diplomatisch kein Porzellan zu zerschlagen. Andere haben es da leichter. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz etwa. Er warf der Bundesregierung Versagen vor – und eine Beschwichtigungstaktik. Man könne nicht so tun, als sei von der NSA nur Merkels Handy abgehört worden. Selbst Ex-US-Diplomat John Kornblum nannte das Verhalten der amerikanischen Geheimdienste „eine große Blödheit“ und erklärte es mit dem enormen Druck, der auf ihnen seit dem 11. September 2001 laste. Er gab damit implizit Wolfgang Schäuble Recht. „Über soviel Dummheit kann man nur weinen“, hatte der Finanzminister letztens wissen lassen, als der US-Maulwurf im Verteidigungsministerium aufflog. Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg (Piratenpartei) forderte, Whistleblower Edward Snowden müsse vor den Untersuchungsausschuss geladen werden.
Was soll uns Snowden noch sagen?
Noch so ein Dilemma. Will man Aufklärung, braucht man Snowden und seine Informationen hier. Andererseits besteht ein Auslieferungsabkommen mit den USA. Und die würden, wie Kornblum deutlich machte, auch darauf bestehen. Also lässt man ihn besser in Russland? Das meint jedenfalls Horst Teltschik, unter Kohl ein Wegbereiter für die 2+4-Gespräche: „Wir wissen doch, dass die Amerikaner aufgrund ihrer technologischen Dominanz alles mithören können – wozu soll er uns das denn noch sagen?“ Eine seltsam resignative Haltung für jemanden, dem das Bündnis mit den USA ein Herzensanliegen ist. Altmaier, hier wieder ganz Diplomat, wollte es dem Untersuchungsauss überlassen, hier zu einer Haltung zu finden.
So brachte die Gesprächsrunde keine wirklich neuen Erkenntnisse. Aber sie bestätigte ein Gefühl: Die vielzitierte transatlantische Freundschaft wird Zeit und viel Aufklärungsarbeit brauchen, um wieder das zu werden, was sie einmal war. Vielleicht sollte man in der Zwischenzeit von transatlantischer Bekanntschaft sprechen.