Berliner Ensemble

Robert Wilson inszeniert ein bilderstarkes „Endspiel“ am BE

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Stefan Kirschner

Beckett und Wilson - das ist das spannende Zusammentreffen von zwei formal strengen Künstlern. Eine Kritik.

Am Anfang ist Kakophonie. Ein Wort- und Tongewitter ergießt sich ins Berliner Ensemble, bevor der berühmte, einem Wust von Regieanweisungen folgende erste „Endspiel“-Satz fällt: „Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende“. Robert Wilson, der amerikanische Regisseur, lässt auch die Worte der englischen Version einfließen. Uraufgeführt wurde „Fin de partie“ übrigens in London 1957 auf Französisch, der Dramatiker Samuel Beckett, gebürtiger Ire, der 1938 nach Paris zog, schrieb auch in dieser Sprache.

Beckett und Wilson - das ist erstmal das spannende Zusammentreffen von zwei formal strengen Künstlern. Wilson entwickelt und pflegt seinen Stil seit „Einstein on the Beach“ (1976), einer minimalistischen Oper von Philip Glass, die vor nicht allzu langer Zeit noch einmal in Berlin im Festspielhaus zu sehen war. Bei Wilson ist alles durchchoreographiert, die stark geschminkten Personen bewegen sich oft begleitet von Tönen oder Musik, das ganze erinnert an eine Stummfilm-Ästhetik. Durch Becketts Werk zieht sich neben der Musikalität die stete Reduktion der dramatischen Spielmöglichkeiten der Figuren, die beispielsweise in ihren Bewegungsfähigkeiten zunehmend eingeschränkt werden.

In „Endspiel“ aus dem Jahr 1957 sitzt Hamm (Martin Schneider) im Rollstuhl, sein „Diener“ Clov wird bei Wilson zu einem Clown, Georgios Tsivanoglou kommentiert gestenreich sein Treiben, schiebt seinen blinden „Herren“ auf Kommando im Raum herum und beobachtet die Umwelt, die tot ist. Eine der Sorgen der beiden ist, dass neues Leben entstehen könnte. Eine andere, dass „wir im Begriff (sind), etwas zu bedeuten“ - einer der wichtigsten Sätze in Becketts Werk.

Vollkommen bewegungsunfähig sind Nell und Nagg, die Eltern von Hamm. Sie bekommen aber keine Eier mit Schinken zu essen, was die Namen phonetisch nahelegen, sondern trockenen Zwieback. Es geht halt zu Ende. Nell und Nagg befinden sich in Mülltonnen, bei Wilson, der auch Bühne und Lichtkonzept verantwortet, sind sie deckellos im Boden versenkt. Wenn Nell (Traute Hoess) auftritt, sind zuerst nur die weißbehandschuhten Finger am Rand zu sehen.

Beide schwelgen in der Vergangenheit. Sie singt ein Lied, Nagg (Jürgen Holtz) erzählt den alten Witz, über den sie früher herzhaft gelacht hat. Ein starker Auftritt der beiden Schauspieler. Nagg und Nell sind eigentlich ein glückliches Paar und gleichzeitig Vorboten von Winnie und Willie in „Glückliche Tage“, Becketts 1961 in New York uraufgeführtem Drama, in dem ein Mann hinter dem wachsenden Hügel verschwindet, in dem seine Frau feststeckt.

Mit musikalischen Zirkusmotiven (Musik: Hans Peter Kuhn) kombiniert Wilson die Auftritte von Clov, der in seinen übergroßen Schuhen und der weiten Hose (Kostüme: Jacques Reynaud) immer wieder im Karree den Raum durchschreitet und pantomimisch die vorn an der Rampe im Boden steckende Miniaturleiter hoch- und runtergeht. Der Running Gag, gegen den Türrahmen laufen, ermüdet irgendwann. Der sprachliche Witz geht gelegentlich im Schauwert unter. Ein nicht wirklich glückliches Zusammentreffen zweier Großkünstler.

Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte. Karten: 284 08 155. Termine: 23., 25.12.; 5. und 6.1.2017