Zwei Berliner Stars: Nina Hoss und Lars Eidinger brillieren im starken, berührenden Wettbewerbsbeitrag aus der Schweiz: „Schwesterlein“
Sie sind zwei der größten deutschen Schauspieler, im Theater wie im Film. Sie haben zusammen an der Ernst Busch Schule gelernt, im selben berühmten Jahrgang mit Fritzi Haberland, Devid Striesow und Mark Waschke. Die beiden haben auch eine gemeinsame künstlerische Heimat, die Berliner Schaubühne. Aber noch nie haben Nina Hoss und Lars Eidinger zusammengespielt, weder auf der Bühne noch vor der Kamera. Dafür spielen sie jetzt im Film „Schwesterlein“ gleich Zwillinge. Und Fiktion und Realität verschwimmen dabei unentwegt.
Hamlet als Krebs-Therapie
Eidinger spielt einen Schauspieler, der an der Schaubühne Triumphe feiert. Als „Hamlet“. Wir sehen ihn der eigenen Inszenierung zuschauen, die mit einer Zweitbesetzung geprobt wird. Und im Film wohnt er an genau in dem Charlottenburger Kiez, in dem Eidinger selbst lebt. Im Film aber heißt er Sven. Und ist krebskrank. Er hat seine zweite Chemotherapie hinter sich. Und will zurück auf die Bühne. Den „Hamlet“ spielen. Um wieder ein Lebensziel zu haben.

Thomas Ostermeier spielt auch mit. Er mimt den Intendanten der Schaubühne. Aber im Film heißt er David und denkt recht kühl und unsympathisch nur an Profit und Auslastung. Darüber muss sich Ostermeier selber kaum Sorgen morgen. Dennoch hat er sein Haus zur Verfügung gestellt. Und sich gleich mit.
Nina Hoss spielt keine Schauspielerin. Sondern die Bühnenautorin Lisa, die auch mal was mit David hatte. Und Stücke für ihren Bruder geschrieben hat. Seit geraumer Zeit aber kann sie nicht mehr schreiben. Sie glaubt, es liege an der Schweiz, wo sie ihres Mannes wegen hinzog. Der Bruder weiß es besser: Sie schreibt nicht mehr seit dem Tag, an dem er seine Diagnose bekommen hat.
Der Film beginnt damit, wie sie ihm Knochenmark spendet. Und ihn später in seine Berliner Wohnung bringt. Da wartet schon ihre Mutter (die große Schweizer Schauspielerin Marthe Keller), die aber, das sieht Lisa auf den ersten Blick, völlig überfordert ist, den Schwerkranken zu versorgen. Also nimmt die „kleine“, um zwei Minuten jüngere Schwester den Bruder zur Regenerierung mit zu sich in die Schweiz. Womit die Probleme aber erst beginnen.
Die Hauptdarstellerin beim Shoppen angequatscht
„Schwesterlein“ ist ein Schweizer Film. Gedreht von Stéphanie Chuta und Véronique Reymond, zwei Theaterschauspielerinnen, die auch gemeinsam Filme inszenieren. Mit ihrem jüngsten werfen sie einen Blick aufs eigene Metier. Ostermeier kannten sie noch von der Schauspielschule. Nina Hoss haben sie, so will es die Fama, beim Geschenkekaufen in Mitte angesprochen und schon vor Jahren für den Film gewonnen.
Dann kam auch noch Lars Eidinger dazu, der auf der Berlinale eben erst in „Persian Lessons“ zu sehen war und für „Schwesterlein“ ganz viel von der eigenen Persona mit eingebracht hat. Hoss und Eidinger liegen oft nebeneinander. Kramen in alten, echten Fotos, die sie beide an der Busch zeigen. Sie dachte erst, das könne heikel sein, meinte Nina Hoss vorab. Aber es verleihe der Geschichte Tiefe.

Aber, man mag es kaum glauben, deutsche Produzenten konnten für das Projekt nicht gewonnen werden. Theater im Film sei Kassengift, hieß es lapidar. Unglaublich, wenn man mal im diesjährigen Wettbewerb schaut, wie viele deutsche Fördergelder in anderen Beiträgen stecken, die so gar nichts mit Deutschland zu tun haben. Und so gar nicht überzeugen. Da müssen sich deutsche Fördergremien ganz schön schämen.
Zur Halbzeit nimmt das Festival endlich an Fahrt auf
Denn „Schwesterlein“ ist ein starker und berührender Film, mit dem die Berlinale zur Halbzeit endlich an Fahrt aufnimmt. Ein Film, der von dem kraftvollen Zusammenspiel seiner beiden Hauptdarsteller lebt, denen man das Geschwistersein sofort abnimmt. Aber auch von starken Nebendarstellern, etwa auch Jens Albinus zählt, der als Lisas Ehemann darunter leidet, dass seine Frau sich nur noch um den Bruder kümmert und die Familie vernachlässigt. Woran die Ehe zu zerbrechen droht.
Am Ende zieht der Theaterintendant die Wiederaufnahme des „Hamlet“ zurück. Und stürzt den Moribunden in seine schwerste Krise. Da ist es das Schwesterlein, das sich für ihn an den Schreibtisch setzt, um ihm einen letzten großen Monolog zu schreiben. Ihr Bruder wird sie dabei unbemerkt ansehen und dankbar lächeln. Eine der vielen feinen Gesten, von denen dieses intensive Drama lebt. Man ahnt da schon, der Todkranke wird den Monolog nie halten. Aber der Text ist ein letzter Liebesbeweis. Von ihr an ihn. Aber auch umgekehrt. Das Letzte, was der Bruder für die Schwester tun kann, ist, sie wieder zum Schreiben zu bringen. Herzzerreißend.
Termine: 25.2, 9.30 Uhr Haus der Berliner Festspiele und 13 Uhr, Friedrichstadtpalast; 1.3., 12 Uhr, Friedrichstadtpalast