Deutsche Oper

Heather Engebretson: "Opernhäuser sind wie eine Familie"

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Sopranistin Heather Engebretson im Foyer der Deutschen Oper Berlin.

Sopranistin Heather Engebretson im Foyer der Deutschen Oper Berlin.

Foto: Maurizio Gambarini

Die amerikanische Sopranistin Heather Engebretson hat in Deutschland ihre Karriere begonnen. In Berlin singt sie große Frauenrollen.

Berlin. Die US-Amerikanerin Heather Engebretson gehört zu jenen jungen, durch die Welt reisenden Opernsängerinnen, die ohne jede Attitüde erzählen, was sie im privaten oder künstlerischen Leben bewegt. „Ich bin neun bis zehn Monate pro Jahr unterwegs“, sagt die 28-Jährige etwa. Natürlich fragt man sofort, wo sie überhaupt noch zu Hause ist. „In London“, sagt sie und fügt sofort hinzu: „Mehr oder weniger. Mein Partner und meine Schuhe sind in London.“ Diese Antwort sorgt für ein kurzes Missverständnis. Meint sie vielleicht Schüler oder Kinder oder wirklich Schuhe? „Wo meine Schuhe sind, ist mein Zuhause“, erklärt sie und schickt ein entwaffnendes Lächeln hinterher.

In Berlin ist sie gerade an der Deutschen Oper, in dessen Foyer unser Gespräch stattfindet, in „Hoffmanns Erzählungen“ zu erleben. Sie verkörpert in der Neuproduktion die Olympia, Antonia, Giulietta und Stella. „Ich versuche immer, eine Verbindungslinie zwischen den vier Figuren zu ziehen. Ich suche nach Ähnlichkeiten zwischen den Charakteren“, sagt sie. „Aber das ist schwer, weil die vier Frauen so unterschiedlich sind. Antonia ist die menschlichste Figur, und ich glaube, alles Gestalterische muss von ihr ausgehen.“

Die Opernproduktion ist doppelt besetzt, Heather Engebretson wechselt sich mit der Rumänin Cristina Pasaroiu ab. Beide singen dieselbe Partie, hatten denselben Regisseur, aber worin unterscheiden sie sich? „Wir sind äußerlich völlig verschieden, weil ich nur 1,52 Meter groß bin“, sagt sie. „Wir mussten einige Kleinigkeiten ändern. Zum Beispiel muss ich einmal Hoffmanns Gesicht streicheln, aber ich berühre eher sein Kinn. Und stimmlich sind wir natürlich auch total verschieden.“

Von der Mutter den Hang zum Fleiß und zur Perfektion

Die von Jacques Offenbach vertonten Frauenrollen hält sie für eine interessante, zugleich einfache Herausforderung. „Ich habe kein festes Stimmfach, ich kann sagen, ein lyrischer Sopran oder auch ein dramatischer Koloratursopran zu sein. Hoffmann ist für mich einfach, weil die Partie vier verschiedene Stimmfächer bedient.“

Heather Engebretson ist schon ein selbstbewusstes Musikerkind aus Alabama. Ihr Vater war Klavierprofessor an der Universität, ihre Mutter hatte eine große Musikschule für Kinder gegründet. Von ihrer chinesischen Mutter erzählt sie voller Stolz. „Sie ist vor der Kulturrevolution geflohen. Es war eine dramatische, lebensgefährliche Flucht über Hongkong nach Amerika.“ Da war sie 18 Jahre alt und sprach kein Wort Englisch. Inzwischen sei ihre Mama völlig amerikanisch. „Ich weiß jetzt, wie schwer sie es hatte, ein neues Leben anzufangen“, sagt Heather Engebretson und spielt damit auf ihren eigenen Neuanfang in Deutschland an. „Aber Opernhäuser sind wie eine große Familie“, fügt sie hinzu.

Von ihrer Mutter hat sie wohl auch den Hang zum Fleiß und zur Perfektion übernommen. Ursprünglich hatte Heather Engebretson mit Geige begonnen. Sie sagt, es sei sehr intensiv gewesen. Sie habe acht bis neun Stunden täglich geübt. Mit 13 Jahren hatte sie ihren ersten Agenten, mit 15 musste sie wegen einer Nervenverletzung in der linken Hand diese Karriere abbrechen. Jetzt ist sie Opernsängerin, und sie sagt, sie trainiere mehr als üblich. Wahrscheinlich kann sie gar nicht anders.

An der Deutschen Oper sang sie die Königin der Nacht

Studiert hat sie an der Juilliard School in New York. Über ihre Gesangslehrerin Edith Wiens kam die Verbindung nach Deutschland und Heather Engebretson 2013 nach Hannover ins Solistenensemble. Es folgten zwei Jahre in Wiesbaden. „Oh mein Gott, war das toll. Ich gastiere dort immer noch. Das ist meine künstlerische Heimat.“ Ein weiteres Jahr war sie in Hamburg, seither ist sie Freelancer.

An der Deutschen Oper hat sie 2017 als Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ debütiert. Und im Haus war klar, dass man sie wieder haben möchte. Jetzt bei den längeren Hoffmann-Proben konnte sie auch Berlin entdecken. „Berlin fühlt sich für mich wie London und New York an. Ich fühle mich wie zu Hause. Es ist auch schön, dass es Uber in Berlin gibt.“

Rund 45 Partien hat die Sängerin bislang einstudiert, aus ihrem Repertoire wird am meisten Händels „Alcina“ angefragt. Sie selber spricht aber am liebsten über Mozart, Puccini und Verdi. „Ich bin eher eine Schauspielerin, die singen kann“, sagt sie. „Deswegen arbeite ich gerne mit Regisseuren.“ Gerade freut sie sich auf die Begegnung mit Barrie Kosky. An seiner Komischen Oper wird sie die Mimi in Puccinis „La Bohème“ singen. Über Kosky habe sie gehört, dass er viel mit dem Charakter der Figuren arbeite, „bei ihm soll sich alles aus der Musik und nicht nur aus dem Text heraus entwickeln“ Das findet sie toll, denn bei Puccini sei „es besonders wichtig, auf die Musik zu hören. Das Orchester lügt nicht“.

Deutsche Oper, Bismarckstr. 35 in Charlottenburg. Tel. 343 84 343. Termin: 5. Januar 2019, 19.30 Uhr. Komische Oper, Behrenstr. 55–56 in Mitte. Tel. 47 99 74 00. Termine: 14. Februar, 22. März und 4. April 2019.