Daniel Barenboim und seine Staatskapelle präsentieren Bedřich Smetanas „Vaterland“. Sie werden im Konzerthaus für den Zyklus bejubelt
Bei einem bejubelten Abend im Konzerthaus widmen sich Daniel Barenboim und seine Staatskapelle Berlin dem sinfonischen Zyklus „Má vlast“ (Mein Vaterland) des tschechischen Komponisten Bedřich Smetana. Der Zyklus mit seinen sechs sinfonischen Dichtungen stellt eine Art Allegorie auf die Wiedergeburt des tschechischen Landes dar. Obwohl „Má vlast“ durch die Anregung mit Liszts symphonischen Dichtungen entstand, setzt Smetana das Konzept in jedem Moment in ganz eigener Musiksprache um. Die prächtigen Blechbläser, welche den Burg Vyšehrad im ersten Satz heraufbeschwören, lassen einen kurz an Wagners „Meistersinger“ denken, münden aber bald in einen festlichen Tanz, der alles andere als Deutsch klingt. Barenboim bevorzugt ein elastisches Tempo und schwellende Phrasen, welche die Musik zum Leben erwecken.
Im folgenden „Vltava“ (Die Moldau), wohl der bekannteste Satz des Werks, winden sich die Flöten flink durch einen dichten orchestralen Strom. Die Streicher sind vielleicht eine Spur zu kräftig beim bäuerlichen Hochzeitstanz. Dagegen ist die Atmosphäre durchaus mystisch, wenn sich die Flöten wieder an ein zartes Streichmotiv schmiegen. Smetanas raffinierte motivische Arbeit entpuppt sich, wenn das abwärts fallende Thema von „Vyšehrad“ wieder auftaucht, eine Bejahung der Stärke des böhmischen Volks. Zum Schluss münden die Streicher in einen leisen Fluss, der so zärtlich ist, dass er etwas spröde wirkt, bevor zwei triumphierende Akkorde den Satz beenden.
Opernhaftes Porträt einer Kriegerin
Mit feurigem Einsatz folgt „Šarka,“ das Porträt einer Kriegerin aus der tschechischen Legende. Smetanas melodische Einfälle und die farbige Instrumentation bebildern eine opernhafte Geschichte. Die Staatskapelle gibt sich ihr mit Leidenschaft hin. Im Laufe der Dichtung wird die kompositorische Raffinesse weiter gesteigert. „Z Českych Luhů a Hájů“ (Aus Böhmens Hain und Flur) huldigt der tschechischen Landschaft.
In „Tábor“, es ist der Name eines Hussitendorfs, wird ein Choral aus dem 15. Jahrhundert in Fragmenten ausgepackt. Der musikalische Ablauf lebt von der Energie der Staatskapelle. Ein Choralmotiv durchzieht auch die abschließende sinfonische Dichtung „Blanik“. Blanik ist ein Berg, auf welchem tschechische Krieger auf der Rettung des Heimatlands warten. Als der Triumph sich nähert, gerät die Musik unerwartet in eine Moll-Lage, welche Unsicherheit ausdrückt. Ein sausender Schluss, in dem Smetana das Hussiten- mit dem Vyšehrad-Motiv verknüpft, wirkt wie ein Statement.