Luca Pisaroni ist umlagert. Seine beiden Hunde Lenny und Tristan toben die ganze Zeit wie kleine Kinder durch die Wohnung, immer auf der Suche nach einem Spielpartner. Der italienische Opernsänger nimmt es gelassen, er hat die Hunde immer bei sich, wenn er in einer anderen Stadt gastiert. Pisaroni gehört zur amtierenden Upperclass der von einem großen Opernhaus zum nächsten reisenden Sänger. Er ist Spezialist für Mozart und Donizetti und will weiter ins Belcantofach vorstoßen. Gerade hat er an der Staatsoper den Leporello in Mozarts „Don Giovanni“ gesungen. In einer sehr komplizierten, schweißtreibenden Inszenierung, wie er sagt. Jetzt bereitet er sich auf drei Konzerte zum Jahreswechsel vor. Im Tempodrom wird er mit dem Deutschen Symphonie-Orchester im Circus Roncalli auftreten. Auf dem Programm stehen Klassik und Artistik. „Das wird ein großer Spaß werden“, sagt Pisaroni: „Ich weiß, dass das Tempodrom sehr groß ist und eine eigene Spannung in der Luft liegt.“
In Venezuela geboren, in Italien aufgewachsen
In Venezuela wurde Luca Pisaroni 1975 geboren. Dort wollte sein Vater einige Jahre als Automechaniker arbeiten. Seine Mutter war Lehrerin. Als er vier Jahre alt war, zog die Familie zurück nach Italien. Es wurde die norditalienische Kleinstadt Busseto, in der einst Giuseppe Verdi lebte. Luca Pisaroni ist also aufgewachsen in einem Umfeld, von dem man später in seiner Biografie getrost behaupten kann, es habe einen derart geprägt, dass man mit elf Jahren schon wusste, nichts anderes als Opernsänger werden zu können. Er studierte in Mailand, in Buenos Aires, schließlich in New York. Debütiert hat der Bassbariton in Klagenfurt als Figaro.
Mozarts Figaro ist eine seiner Paraderollen. Er hat die Partie in fast 150 Aufführungen in 14 verschiedenen Produktionen gesungen. Etwas Prototypisches im aufmüpfigen Diener will er aber nicht benennen. Und er weiß auch warum. „Es gibt natürlich Dinge, etwa dass er ein guter Kerl ist, der in seine Susanna verliebt ist“, sagt Pisaroni. „Aber bei einer Produktion in Amsterdam sagte mir dann der Regisseur, er wisse nicht, ob die beiden wirklich verliebt sind. Von da an habe ich mir gesagt, ich nehme nichts mehr für selbstverständlich.“ Die grundsätzliche Offenheit für die Darstellung ist ihm wichtig. Denn es gäbe für einen Sänger nichts Schlimmeres, als wenn er immer weiß, was er zu verkörpern habe. „Ich glaube, auch das Publikum möchte in Inszenierungen verschiedene Aspekte sehen, ansonsten kann Oper etwas langweilig werden.“
Der kleine Tristan wuselt durch die Wohnung
Die Namen seiner Hunde sind nicht untypisch für Musikerfamilien. Der Zwergdackel heißt Tristan und wuselt stellvertretend für Richard Wagner durch die Wohnung nahe am Kurfürstendamm, die Freunde dem Sänger zur Verfügung gestellt haben, der große Hund, ein Golden Retriever, heißt Lenny und hechelt den Zeitgeist des 20. Jahrhunderts. Sein Schwiegervater habe viel mit Lenny Bernstein gearbeitet, sagt Luca Pisaroni. Er selber stehe ja mehr auf Nikolaus Harnoncourt. Das lässt einiges erahnen, denn Bernstein war pure Leidenschaft, Harnoncourt steht eher für das Analytische. Unter Harnoncourts Leitung hat Pisaroni bereits in der Philharmonie gesungen. Und bei seinem internationalen Durchbruch im Sommer 2002 bei den Salzburger Festspielen stand Harnoncourt am Pult. „Ich war gerade mal 26 und wollte viel lernen.“ Pisaroni sang den Masetto im „Don Giovanni“ und der große amerikanische Bariton Thomas Hampson die Titelrolle. Außerdem hatte Hampson seine Tochter Cate dabei.
Luca Pisaroni heiratete Cate schließlich und siedelte zu ihr nach Wien über. Irgendwie ist er ja der Traum von einem Schwiegersohn. Und in Konkurrenz zu seinem singenden Schwiegervater sähe er sich nicht, sagt er. Hampson ist ein reiner Bariton, er ein Bassbariton. Das Repertoire unterscheidet sich. Aber ganz leicht sei es natürlich nicht. Wenn die beiden miteinander reden, dann geht es meist weniger um Musik und Rollengestaltungen. „Es gibt zwei Dinge, über die wir am liebsten reden“, sagt Pisaroni: „Das eine sind Apple-Produkte, iPhones und iPads. Wir sind beide Apple-Freaks. Darüber hinaus mögen wir beide Politik. Ich verfolge die amerikanische Politik mehr als die italienische. Denn was in Amerika passiert, das entscheidet auch darüber, was im Rest der Welt passiert. Und Thomas interessiert sich auch, was kulturell in seinem Land passiert.“ Pisaroni redet ungern über Football oder Fußball, Thomas Hampson dagegen gerne über Golf.
Jeder reisende Sänger pflegt seine Rituale
Dabei hat Luca Pisaroni beim Gespräch Sportschuhe an und wirkt überhaupt durchtrainiert. Er müsse Sport machen, sagt er. Zehn Minuten vor einer Aufführung renne er entweder über die Bühne oder mache Seilspringen. 1000 Sprünge! „Das ist eine Obsession, wenn ich es mal nicht schaffe, denke ich, die Aufführung wird schlecht.“ Jeder reisende Sänger pflegt seine Rituale, um sich in der Fremde zu Hause zu fühlen. Er können die manchmal jammernden Kollegen nicht verstehen, sagt Pisaroni. „Ich vermisse mein Zuhause nicht, einfach, weil ich immer mit meiner Frau und den Hunden reise.“
Dass seine Frau Cate flexibel ist und überall mit hinreisen kann, hängt damit zusammen, weil sie eine Firma für Webdesign betreibt. Und die Hunde würden angeblich beide als Herrchen anerkennen. „Sie vergöttern meine Frau, aber ich gebe ihnen das Fressen. Deshalb lieben sie mich auch.“ Auf seiner Website hat Luca Pisaroni eine putzige und umfassende Bildergalerie für Lenny und Tristan eingerichtet: Dogs on the road.
Tempodrom: Silvesterkonzerte des Deutschen Symphonie-Orchesters mit Artisten des Circus Roncalli am 31.12. um 15 und 19 Uhr und Neujahrskonzert am 1. Januar um 18 Uhr Tel. 20298711