Seit 60 Jahren gehört Erika Rabau dem Film und der Fotografie. Lothar Lambert setzt ihr jetzt ein Denkmal. Ein sehr ironisches.
Wir hätten es besser wissen müssen.Wir haben morgens bei ihr angerufen und aufs Band gesprochen. Aber erst nachmittags ruft sie zurück. Mit dem klagenden Unterton, dass sie doch ein Nachtmensch sei und nie vor Mittags aufstehe.
So war sie immer, die Erika Rabau, so ist sie immer noch. Auch zum Gespräch treffen wir uns erst am frühen Abend im Dalmacija, bei ihrem Stamm-Kroaten am Prager Platz. Das ist ihr zweites Wohnzimmer und liegt praktischerweise gleich neben ihrem echten.
Von weitem winkt sie uns schon entgegen in ihrem unverkennbaren blauen Lederdress, das sie immerzu trägt, mit allerlei rasselnden Anhängern und ihrer weißen Sturmmähne. Küsschen links, Küsschen rechts, soviel Zeit muss sein, auch mitten auf der Straße. Müssen die Autos halt mal kurz warten.
Filmen bis zum Umfallen
Wir haben ja eine gemeinsame Vorgeschichte. Erika Rabau hat lange Zeit als Fotografin auch für diese Zeitung gearbeitet, und als ich noch ein junger Neuzugang war, hat sie mich oft auf Termine begleitet. Oder besser ich sie, denn wir brausten immer in ihrem schnittigen Cabrio, auf das sie so stolz war und mit dem sie nicht auf jede Ampel geachtet hat.
Heute aber treffen wir uns aus einem anderen Grund. Erika Rabau war ja nie nur Fotografin. Sie hat immer auch in Filmen mitgewirkt, bei Wim Wenders im „Himmel über Berlin“, bei Fassbinder in „Querelle“. Und immer wieder bei Berlins trashigstem Regisseur Lothar Lambert. „Tiergarten“ war 1979 ihr erster gemeinsamer Film, 16 weitere sollten folgen. Und den jüngsten hat Lambert, bevor er sich ganz vom Film zurückziehen will, seiner Dauermuse gewidmet: „Erika, mein Superstar – Filmen bis zum Umfallen“ feiert heute seine Berlin-Premiere.
In ihre Wohnung lässt sie keinen
Im Film sitzt er mit der Rabau in genau jenem Restaurant wie wir jetzt. Mit einem Richtmikro in der Hand, das irgendwie wie eine Pistole aussieht und mit dem er denn auch perfide Fragen abfeuert. Fragen, von denen er genau weiß, dass sie sie nicht beantworten wird, und die wir deshalb auch nicht mehr stellen müssen. Die, wie alt sie ist, etwa.
Man weiß zwar, dass sie kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember geboren ist, aber in welchem Jahr, das bleibt ihr Geheimnis. Sie war wohl einfach immer schon da. Auch ihre Wohnung hat wahrscheinlich noch nie jemand von innen gesehen. „Das ist ein einziges Chaos“, flötet sie mit ihrem unnachahmlichen kauzigen Krächzen, „das kannst du dir nicht vorstellen.“ Die liebe Erika, ein Messie?
Hollaender machte sie zum Puck
Wir können uns also nur ausmalen, was da alles so rumsteht und rumstehen muss. All die Fotos etwa, die sie über sechs Jahrzehnte gemacht hat. Von den Stars der Berlinale. Irgendwo, das erzählt sie gerne, muss da auch dieses Buch liegen, das ihr Friedrich Hollaender geschenkt hat, mit der Widmung „dem Puck von Berlin“.
„Puck vom Sommernachtstraum, nicht vom Eishockey“, wie sie meint betonen zu müssen. Der Puck wurde zum Synonym, zu ihrem zweiten Vornamen. Und wirklich passt er treffend: ein irrlichterndes, flirrendes Wesen, ein Kauz, ein Kobold.
„Erika Rabau: Puck of Berlin“, so hieß denn auch ein erster Dokumentarfilm, der 2008 von ihr gemacht wurde. Und die eine Erika zeigte. Die offizielle Berlinale-Fotografin. Die, die auch heute noch zu jeder Berlinale schlurft, dabei ihre Fototasche hinter sich herschleift, als Letzte kommt und sich immer frech in die erste Reihe drängt.
Eine Hommage voller Lästereien
„Erika mein Superstar“ ist also schon der zweite Film über die Alterslose, und zeigt die andere Erika. Die vor der Kamera. Die Trash-Ikone des Undergroundkinos und Aushängeschild des alten, noch unangepassten West-Berlin.
Lambert, auch in seinen Dokus mehr dem Trash als der Recherche zugetan, macht sich gar nicht erst die Mühe, dieses andere, das Fotografenleben zu bebildern. Natürlich zeigt er ihr Foto von Kirk Douglas, weil sich da in seiner Hose etwas abzeichnet. Aber sonst zeigt er lieber Ausschnitte aus eigenen Filmen. Lästert mit Weggefährten über „die Erika“. Und bedrängt sie zu verraten, welche Stars ihr denn Avancen gemacht haben und ob sie welche sie erhört habe.
„Na hör mal“, wiegelt sie entrüstet ab, um es schließlich doch zu gestehen. So ist er halt. „Er versetzt dich immer in unmögliche Situationen“, kräht sie nun so laut, dass sich die anderen Gäste im Restaurant pikiert umdrehen. „Aber ich mache alles, was der Regisseur verlangt.“
Sie ging schon immer ihren Weg
Lambert hat sie immer frivole, anrüchige Rollen spielen lassen, gleich im ersten Film wurde sie vergewaltigt. Ihr Bruder, ein Botschafter, wollte dann lange nicht mehr mit ihr sprechen, die ganze Familie war sauer.
Aber so war sie immer schon: Sagen hat sie sich nie was lassen., das Establishment hat sie nie beeindruckt. Mit 17 ging sie nach Argentinien, eines Mannes wegen, nach drei Monaten Ehe verließ sie ihn. „Der war so eifersüchtig, Othello war nichts dagegen.“ Sie wurde sie Assistentin eines Fotografen, eine Frau in dem Beruf, das war eine große Sache damals.
Sie hat noch zwei weitere Männer gehabt, aber sie stand immer ihre Frau. Auch als sie nach zehn Jahren nach Deutschland zurückkehrte, wegen des fürchterlichen Heimwehs und wegen der Eltern, ist sie unbestritten ihren Weg gegangen. Und knatterte gern auf ihrem Motorrad durch die Stadt. Auch das war für Frauen damals noch tabu.

Ihre Bilder von den Berlinalen sind längst Zeitdokumente, die es auch als Bildband gibt. Die Stars, sie erkennen sie wieder und nehmen sie gern in den Arm, auch die internationalen. Und der deutsche Film liegt ihr zu Füßen.
Fassbinder hat sie mitten in einer Pressekonferenz gefragt, ob sie nicht in seinem nächsten Film mitmachen wolle, Wim Wenders ging buchstäblich vor ihr in die Knie. Das erzählt sie alles mit diesem Lächeln eines unschuldigen Mädels, das sie sich bis heute bewahrt hat.
Nur von Lothar Lambert erzählt sie nicht so viel, vielleicht eine feine Rache. Wenn der jetzt nicht mehr drehen will, ist ihre Karriere dann nicht vorbei? Von wegen. Neulich tippte sie jemand in einer Buchhandlung an. Und fragte auch, ob er sie für einen Film gewinnen könnte. Es war Detlev Buck. Der Puck wird also noch munter weiterkrähen.